Westerstede Hätte der Niedersächsische Kultusminister nach seiner Schulzeit gelernt, was das Berufsinformationszentrum ihm in seiner Schulzeit vorschlug, dann wäre er Fischwirt geworden. Hätte Westerstedes Bürgermeister Klaus Groß nicht einen Unfall gehabt und deshalb umschulen müssen, er wäre heute vielleicht immer noch Radio- und Fernsehtechniker.
Das Berufsleben eines Menschen ist nie zu 100 Prozent planbar und steckt voller Unvorhersehbarkeiten. Damit nicht schon zu Beginn eines Berufslebens falsche Entscheidungen getroffen werden, bietet das Gymnasium Westerstede seinen Elftklässlern jetzt ein ganz besonderes Programm an. Über das Wissenschaftsforum Westerstede sollen Schüler befähigt werden, eine begründete Studien- und Berufsorientierung für sich zu finden.
Zwei tragende Säulen für das Konzept
Das Konzept des Programms, das am Montag offiziell gestartet wurde, besteht aus zwei Säulen: Das Stipendiatenprogramm mit einem Forschungspraktikum sowie dem Referentenprogramm. Dieses ist eine öffentliche Veranstaltungsreihe in Westerstede, bei der renommierte Wissenschaftler Vorträge halten oder an Diskussionsrunden teilnehmen, um einen Austausch zwischen wissenschaftlichen Institutionen, Schule und der interessierten Öffentlichkeit zu ermöglichen.
Schirmherr des Wissenschaftsforums ist der Niedersächsische Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD). Der Politiker freute sich am Montag, dass das Westersteder Gymnasium die berufliche Orientierung so ernst nehme. „Ich selbst war in meiner Schulzeit nur zwei Wochen bei einem Förster. Nach einem Tag im Berufsinformationszentrum hatte ich die Empfehlung, Fischwirt zu werden – den Beruf habe ich knapp verfehlt“, berichtete Tonne mit sarkastischem Unterton.
Von Stärken und Interessen leiten lassen
Die Vielfalt der beruflichen Werdegänge habe in den vergangenen Jahren extrem zugenommen, deshalb sei es wichtig, sich von seinen Stärken und Interessen leiten zu lassen. Das Stipendiatenprogramm biete eine gute Möglichkeit, sich diese Stärken und Interessen bewusst zu machen. „Ich bin neugierig, wie es mit dem Projekt weitergeht und werde mich auf dem Laufenden halten“, versprach der Minister.
Ein guter Start zumindest ist geglückt: „Wir konnten bereits 13 Schüler in Praktika vermitteln“, berichtete Schulleiter Norbert Brumloop. Wohin es sie verschlagen wird, berichteten die Schüler schließlich selbst. So absolviert Jannick Wolff im April ein Praktikum bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Fabian Müller und Marvin Elling besuchen für zwei Wochen das Leibniz-Institut in Potsdam und Alexa Korczak wird ebenfalls für zwei Wochen zu Gast im Europäischen Parlament in Straßburg sein.
Praktikum in der Molekularbiologie
Bereits ein Praktikum absolviert hat Mette Janßen. Sie durfte die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Matthias Dobbelstein an der Universität Göttingen besuchen und konnte sich dabei einen Einblick in die Molekularbiologie innerhalb der Krebsforschung verschaffen. „Ich wollte immer schon Ärztin werden und konnte über das Praktikum die Arbeit im Labor kennenlernen“, berichtete die Schülerin und zeigte auch Bilder von ihrem Arbeitsplatz. Ihre Erwartungen an das Praktikum seien voll erfüllt worden. Die Erfahrungen hätten sie in ihrem Berufswunsch bestärkt.
Genau diesen Effekt wollen die Lehrer Michael Timpe und Dr. Daniel Osewold, die Organisatoren des Programms, erreichen. „Die Motivation eines Schülers ist entscheidend, ob er in das Stipendiatenprogramm aufgenommen wird“, berichtete Timpe. Die Schüler hätten die Möglichkeit, Bewerbungen einzureichen. „Über persönliche Gespräche finden wir heraus, wer sich eignet und was den jeweiligen Schüler interessiert. Daraus ergibt sich dann ein mögliches Praktikum.“