Bad Zwischenahn /Ammerland Strom aus dem Norden Deutschlands von den großen Offshore-Anlagen in den Süden bringen – das ist eines der größten Probleme der Energiewende. Neue, leistungsfähigere Leitungen werden gebraucht. Eine davon soll auch durch das Ammerland führen: Der Netzbetreiber Tennet plant eine 380-Kilovolt-Leitung von Conneforde nach Cloppenburg.
Am Donnerstag hat das Unternehmen in Cloppenburg mitgeteilt, welche von drei möglichen Trassen es bevorzugt.
Es ist der Korridor C, der weitgehend auf der Strecke der bereits bestehen 220-Kilovolt-Leitung von Conneforde bis Cloppenburg verläuft. Nur in einigen Abschnitten will Tennet von dieser Route abweichen, wie das Unternehmen erklärt, um mehr Abstand zur Wohnbebauung zu gewinnen. Im Ammerland betreffen diese Änderungen die Orte Petersfehn, Gristede und Friedrichsfehn.
Bau am Engelsmeer?
Was die Petersfehner entlastet, könnte an anderer Stelle, nämlich in Kayhauserfeld, für Ärger sorgen. Tennet will prüfen, ob auf einem zehn Kilometer langen Teilstück die Trasse unterirdisch verlegt werden kann – unter dem Küstenkanal hindurch. Wie das Unternehmen bestätigte, liegt die Stelle an der die Kabel in die Erde geführt werden könnten, ausgerechnet in der Nähe des Engelsmeeres.
Der Moorsee ist von einem 1,7 Hektar großen Naturschutzgebiet umgeben, dieses wiederum von dem 53 Hektar großen Landschaftsschutzgebiet „Großes Engelsmeer mit Umgebung“. Eine genaue Stelle, an der Tennet den Übergabepunkt von Freileitung zu Erdkabel bauen würde, steht noch nicht fest, die Rede ist von einem einen Kilometer breiten Korridor, in dem sich die Trasse bewegen könnte. Fest steht: Der Übergabepunkt ist ein weithin sichtbares Bauwerk.
Über die Erde kommen soll das Kabel erst wieder hinter der Kreisgrenze und dem Küstenkanal. Die bestehende Leitung, die direkt durch Petersfehn führt, würde damit verschwinden.
Bürgermeister Arno Schilling kündigte am Freitag an, die Gemeinde werde die konkreten Pläne, sobald sie zur Verfügung stehen, sehr genau prüfen. Es müsse genau überdacht werden, ob ein Übergabepunkt und die folgende Erdverkabelung wirklich weniger negative Auswirkungen hätten als eine Überlandleitung. Bisher seien die vorliegenden Informationen aber noch zu vage, um sich eine Meinung zu bilden.
Verträgliches Maß
Kreisweit sorgt die von Tennet geplante Trassenführung überwiegend für Erleichterung. „Ich denke, wenn es so kommt, wie Tennet sich das jetzt vorstellt, wird die zusätzliche Belastung für die Menschen im Ammerland insgesamt auf einem verträglichen Maß gehalten“, sagte Landrat Jörg Bensberg am Freitag gegenüber der NWZ. Klar sei allerdings auch: „Wir alle wollten die Energiewende. Jetzt muss der Strom irgendwie in den Süden transportiert werden. Und das wird auch zu Belastungen führen.“
Bensberg denkt dabei nicht nur an das Landschaftsbild. Es müsse genau geprüft werden, was unter den Freileitungen künftig wirtschaftlich möglich sei. Der Landrat hat dabei besonders das Baumschulwesen im Blick. Was darf unter den Leitungen gepflanzt werden, wie hoch dürfen Bäume werden? Diese Fragen müssten geklärt werden, für betroffene Flächenbesitzer müsse es im Zweifelsfall auch Entschädigungen geben.
Und auch dort, wo die Leitung möglicherweise unterirdisch verlegt werde, könnte es zu wirtschaftlichen Einbußen für die Besitzer der betroffenen Flächen kommen, etwa weil sie die Bodenqualität durch den Aushub für die Trasse verschlechtert.
Freude über Erdkabel
Dass die Trasse im Bereich der Gemeinde Edewecht nach der Vorzugsvariante komplett unterirdisch verlaufen soll, wird dort begrüßt. „Wir favorisieren die Erdverkabelung, insofern ist das eine sehr positive Nachricht“, erklärte Bürgermeisterin Petra Lausch in einer ersten Stellungnahme. Allerdings müssten die Anwohner während der Bauphase damit einhergehende Beeinträchtigungen hinnehmen. Grundsätzlich, so die Bürgermeisterin weiter, sei es im Interesse der Allgemeinheit, dass Strom aus erneuerbaren Energien transportiert werde.
Die natur verliert
Arnd Eyting, Vorsitzender des Ortsvereins Gristede, kann mit der Planung im Raum Gristede leben. Dort wird sich der Abstand zwischen Trasse und Dorf nach Norden hin – Richtung Wiefelstede – gegenüber dem Verlauf der bestehenden 220-kV-Leitung nach Einschätzung Eytings „ausreichend“ vergrößern. Das bedeute aber auch, dass für die neue Leitung eine breite Schneise durch den Wald geschlagen werden muss. Eytings Fazit: „Der Mensch hat gewonnen, die Natur verloren“.
Eyting hatte erwartet, dass sich die Planungen für die neue Leitung letztlich am Verlauf der bestehenden orientieren würden. Wiefelstedes Bürgermeister Jörg Pieper hingegen bedauert, dass dieser Trassenkorridor und nicht eine andere Variante ausgewählt worden ist. Wichtig sei nun, im Rahmen des Raumordnungsverfahrens das Beste für die Menschen in Gristede herauszuholen.
Auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Barbara Woltmann hat sich mit der von Tennet gewünschten Trassenführung beschäftigt. Auch sie begrüßt den Umstand, das Tennet sich an der Route der bestehenden Trasse orientieren will – diese bringe die geringste zusätzliche Belastung mit sich. Auch dass die 380-kV-Leitung als Modellversuch für die teilweise Erdverkabelung ausgewählt wurde, sei eine gute Entscheidung, so Woltmann.
Sie gehe davon aus, dass Tennet die weitere Planung in enger Abstimmung mit den Betroffenen Kommunen und den Menschen fortführen werde, die entlang der Trasse leben.