Oldenburg - Wer am Abendgymnasium sein Abitur macht, hat in der Regel eine Doppelbelastung: Die meisten Schüler gehen tagsüber arbeiten und drücken nach Feierabend die Schulbank in der Bildungseinrichtung an der Theodor-Heuss-Straße. „Immer weniger Menschen sind jedoch in der Lage, an fünf Wochentagen um 17.50 Uhr pünktlich im Unterricht zu sitzen“, weiß der Leiter des Abendgymnasiums, Bernd Beime. Vielfach seien gerade die beruflich sehr engagierten, erfolgreichen und leistungswilligen Berufstätigen daran gehindert. Aber auch allein erziehende Eltern hätten Mühe, ihre Kinder während der abendlichen Unterrichtsstunden zu versorgen. „Wir können es uns nicht länger leisten, diese Menschen auszusperren“, betont Beime.
Darauf reagiert das „Abendgymnasium 2.0“ mit der Einrichtung einer so genannten „Blended Learning“-Klasse, die zum Schuljahr 2017/2018 starten soll. Wörtlich übersetzt heißt das: „Vermischtes Lernen“. Konkret bedeutet das, dass der Unterricht nur noch an drei Tagen in der Schule stattfindet, und zwar in der „Präsenzphase“ dienstags, mittwochs und freitags von 17.50 bis 21.05 Uhr. Der andere Teil wird in einer „Distanzphase“ im Selbststudium zuhause am Computer und mit ergänzenden schriftlichen Lernmaterialien absolviert. Das kommt insbesondere auswärtigen Absolventen zugute, deren Fahraufwand spürbar reduziert wird – schließlich hat das Oldenburger Abendgymnasium einen Einzugsbereich, der einen Radius von rund 100 Kilometern umfasst.
Auf dem Niedersächsischen Bildungsserver wird den Schülern eine Lernplattform zur Verfügung gestellt – „die technischen Voraussetzungen erfüllen heute praktisch alle Studierenden“, so Beime: Sie verfügen in der Regel über Rechner, Internetanschluss und Browser. Allerdings verlange das neue Angebot ein höheres Maß an Selbstdisziplin: „Die Studierenden müssen sich selbst motivieren, sich eigenständiger organisieren und ihren Lernprozess strukturieren.“
Hilfestellung geben dabei aber weiterhin die Lehrkräfte. Sie betreuen die Absolventen auch online. „Die Kommunikation bricht nicht ab“, betont Beime. Seine Kollegin Carmen Hill ergänzt: „Wir stehen den ,Distanzschülern’ für Fragen auch im Rahmen von Online-Sprechstunden zur Verfügung.“ Insgesamt fünf Lehrkräfte haben sich seit eineinhalb Jahren für die neue Aufgabe qualifiziert. „Von der Hardware her sind wir gut ausgestattet“, sagt Bernd Beime. Das Land betreue das Projekt technisch, auch personeller Rückenwind sei avisiert: „Wir kommen zum Sommer eine neue Stelle“, freut sich der Schulleiter.
Sollte sich herausstellen, dass ein Schüler in der „Distanzphase“ Schwächen zeigt, kann er in den herkömmlichen Unterricht zurückwechseln. „Die Durchlässigkeit ist gegeben“, versichert Beime.
Das Konzept „Abendgymnasium 2.0“ fußt auf den positiven Erfahrungen, die im aktuellen Schuljahr in einem Modellversuch an den Standorten Hannover, Osnabrück und Göttingen gemacht wurden. Oldenburg und Braunschweig wollen nun mit dem Online-Abitur nachziehen.
Nach bisherigen Informationsveranstaltungen zeichnet sich ab, dass der neue Bildungsgang mit einer Klasse starten wird – die Teilnehmerzahl werde voraussichtlich zwischen über 15 und unter 25 liegen. „Melden sich mehr Interessenten, können wir reagieren“, sagt Bernd Beime.
Rund 160 Absolventen besuchen derzeit das Abendgymnasium. Infos unter Tel. 40896-0 oder online unter