Berlin /Hannover Es ist die erste große Prüfung – und sie endet für immer mehr junge Leute mit einer Enttäuschung: In Deutschland rasseln wieder mehr Schüler durchs Abitur. In den vergangenen neun Jahren ist die Quote der nicht bestandenen Prüfungen nahezu stetig gestiegen, wie eine aktuelle Auswertung zeigt. Zuletzt scheiterte laut Statistik einer von 26 Prüflingen. Experten kritisieren, dass Schüler schlechte Leistungen vor dem Abitur zu einfach ausgleichen könnten – in der Prüfung dann aber nicht mehr.
Während im Abiturjahrgang 2009 laut Kultusministerkonferenz 2,39 Prozent der Schüler durchfielen, waren es 2017 3,78 Prozent. Besonders hoch ist sie in Mecklenburg-Vorpommern, wo 2017 etwa jeder 14. Abitur-Prüfling (rund 7 Prozent) scheiterte. In Niedersachsen lag die Quote bei 4,55 Prozent (sechsthöchster Wert im Vergleich der Bundesländer in 2017).
Für 2018 liegen der Kultusministerkonferenz noch keine Zahlen vor, doch einzelne Länderdaten bestätigen den Trend – beispielsweise aus Schleswig-Holstein, wo die Durchfaller-Quote von 3,6 auf 4 Prozent an Gymnasien stieg. In Niedersachsen erhöhte sich die Zahl der Durchfaller auf 5,47 Prozent.
Insgesamt sind die Abi-Noten in den vergangenen Jahren zwar etwas besser geworden, jedoch nicht stark. Den besten Notendurchschnitt gab es im Jahr 2017 in Thüringen mit 2,18, den schlechtesten in Niedersachsen mit 2,57 (2018 ebenfalls 2,57).
Zugleich aber wird bundesweit auch häufiger die Note 1,0 vergeben. Fast jeder vierte Abiturient hatte im Jahr 2017 eine 1 vor dem Komma. Die Abi-Noten werden extremer.
Das verdeutliche die Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom Elternhaus der Kinder, sagt der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann. Bei der einen Gruppe könnten die Eltern die notwendige Förderung und Unterstützung privat organisieren, die anderen fielen „durch den Rost“.
Die Vorsitzende des Philologenverbands, Susanne Lin-Klitzing, sieht eher Fehler in der Konzeption des Abiturs. „Im Abitur zeigt sich die Frucht von kontinuierlichem Lernen und kontinuierlichem Leisten“, sagt sie. Schülern werde diese Kontinuität aber nicht abgefordert, manche würden bereits ab der Unter- und Mittelstufe nur versetzt, weil sie schlechte Leistungen in einem Fach durch gute in einem anderen Fach ausbügeln könnten. „Nur im Abitur müssen Mathe, Deutsch und eine Fremdsprache verbindlich bestanden werden, da hilft kein Ausgleich mehr“, sagt die Erziehungswissenschaftlerin.
Außerdem falle es vielen Jugendlichen schwer, sich schon im Januar auf Prüfungen im April vorzubereiten, sagte Lin-Klitzing. Mit den Abitur-Regelungen der Kultusminister werde dieses kontinuierliche Lernen nicht genügend gefördert und gefordert. So müssten Schüler in der Oberstufe nur 32 bis 40 ihrer Kurse ins Abitur einbringen. Sie belegten aber deutlich mehr – die Noten in den übrigen Kursen zählten allerdings nicht fürs Abitur. Und selbst in solchen Kursen, die zur Abi-Berechnung hinzuzählten, dürften Schüler immerhin achtmal durchfallen.