Cloppenburg Erinnern Sie sich noch? Damals – gefühlt vor einer halben Ewigkeit, im Zeitalter vor E-Mail, Whatsapp, Twitter und Facebook – schrieben sich die Menschen Briefe und Postkarten, um sich etwas mitzuteilen. Nicht innerhalb von Sekunden, sondern frühestens einen Tag später ging die Nachricht beim Adressaten ein. Das war aus heutiger Sicht nicht nur langsam, sondern irgendwie auch beruhigend und gemütlich.
Vater kurt in Bayern
Die gebürtige Cloppenburgerin Heike Vogelsang (geb. Bröring) ist jetzt vom Briefzeitalter wieder eingeholt worden.

Nach 39 Jahren – in Worten neununddreißig! – hat die heute 47-Jährige einen ungeöffneten Brief zurückbekommen, den seinerzeit ihr Bruder Hartmut dem gemeinsamen Vater Werner Bröring in dessen damaligen Kurort Bad Kohlgrub geschickt hat. Der heute 50-jährige Hartmut Bröring hatte im Sommer 1978 als Elfjähriger dem Vater unter anderem über sein neues Fahrrad berichtet. „Und das in schönster Kinderschrift“, schmunzelt Vogelsang, während sie das Schriftstück betrachtet.
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Die Geschichte vom verlorenen Brief ist an sich ja schon kurios genug – aber es kommt noch besser: Eine von Werner Bröring aus der Kur an die Familie daheim adressierte Postkarte fand zeitgleich mit dem Brief den Weg zurück in die Hände von Heike Vogelsang, die seit 1997 nicht mehr in Cloppenburg wohnt. Mit vier bunten Impressionen aus der bayrischen Idylle grüßte der Kurende seine Lieben in der Heimat: „Genau wie auf dem Brief klebte auf der Karte ein Aufkleber, dass die Sendung nachadressiert wurde wegen unkorrekter Anschrift. ,Bitte Absender verständigen! Deutsche Post/BZ 80. Ermittelte Anschrift Weserstraße 6, 49 661 Cloppenburg’ steht darauf zu lesen“, berichtet Vogelsang.
Doch an der Weserstraße 6 wohnen die Brörings schon lange nicht mehr. Heike Vogelsangs Bruder lebt seit einer gefühlten Ewigkeit in den USA, ihr Vater Werner verstarb vor 16 Jahren mit 72.
Mutter Gloria (im August 2017 im Alter von 83 Jahren ebenfalls verstorben) zog nach dem Tod ihres Mannes zu ihrer Tochter Heike, die mit ihrem Mann Bernd und dem gemeinsamen Sohn Jan (heute 16) eine neue Heimat in Nordhorn gefunden hatte. Dort arbeitet sie seit vielen Jahren als Lehrerin, nachdem sie 1993 in Cloppenburg Abitur gemacht und in Vechta studiert hatte.
Haus verkauft
Das Bröringsche Familiendomizil an der Weserstraße wurde vor 17 Jahren verkauft. Die heutigen Besitzer – Familie Lühring – warfen die alte Karte und den Brief nicht einfach weg, sondern machten sich daran, die Brörings ausfindig zu machen. Lange mussten sie nicht suchen, denn Brörings alte Nachbarin Martina Fisser, die nur einen Steinwurf entfernt an der Allerstraße 6 wohnt, konnte helfen. „Martina hat mir die Schriftstücke, die Mitte Dezember bei Lührings angekommen sind, dann zu uns an die Fürstenstraße 4 in Nordhorn geschickt, wo sie am 21. Dezember angekommen sind“, erzählt Vogelsang. Nachdem sie die nette Weihnachtskarte von Martina Fisser mit den erklärenden Worten gelesen habe, sei sie in Anbetracht der beiden Schriftstücke „voller Freude, aber auch Trauer“ gewesen.
Post hat keine Erklärung
Die Deutsche Post kann sich unterdessen auf den wundersamen Brief- und Postkartenverkehr keinen Reim machen. Die Schriftstücke blieben keine 40 Jahre bei der Briefermittlungsstelle liegen, erklärte eine Sprecherin der Post-Pressestelle in Hamburg auf NWZ-Nachfrage.
Stutzig mache sie, dass die Postkarte aus der Kur und der Brief in die Kur zeitgleich an der Weserstraße angekommen seien. Es könne sein – mutmaßt die Post-Sprecherin –, dass „die Kurklinik ,sich ausgemistet hat’ und weil der Kurgast nicht mehr vor Ort war, Brief und Karte mit der alten Anschrift (Postkarte) und dem alten Absender (Brief) einfach in den Postkasten geworfen hat.
Es sei ihr – sagt Heike Vogelsang – kalt über den Rücken gelaufen, nach so vielen Jahren noch einmal die Schrift ihres verstorbenen Vaters zu sehen. Ein Gefühl, das E-Mail, Facebook und Twitter in der heutigen Zeit leider nicht mehr liefern können.