Scharrel Als Edewecht gefallen war, zogen sich die deutschen Soldaten über Nacht zurück. Unsere Leute kamen am 28. April 1945 morgens wieder aus dem Ort, wo sie die Schweine gefüttert hatten und sagten: „Die deutschen Soldaten sind alle weg.“ Dann sagte Vater: „Dann wollen wir mal ins Dorf gehen.“
Die Schweinebrücke war ja gesprengt, und so gingen wir querfeldein. Als wir dann auf der Höhe von unserem Riekenacker waren, kriegten wir plötzlich MG-Feuer. Die Kugeln schlugen neben uns in den Wall ein. Wir warfen uns blitzschnell in die Furche. Ich konnte sehen, dass mein Vater auch im Krieg gewesen ist. Jenseits des Walles hatten die deutschen Soldaten ein Schützenloch gegraben, um von dort die Schweinebrücke unter Feuer nehmen zu können.
Wir sprangen nacheinander über den Wall und jedes mal folgte uns eine MG-Salve. In dem Loch waren wir ja sicherer als in der Furche. Zum Glück hatte ich ein Messer und ein weißes Taschentuch in der Tasche. Ich schnitt vom Wall eine circa zwei Meter lange Ebenesche, machte unter einem Seitenzweig einen Längsschnitt, zog dadurch den Zipfel des Taschentuches und verknotete es. Jetzt konnten wir die weiße Fahne hissen und sind damit ohne Beschuss ins Moor zurückgegangen.
Einwilligung und Werberichtlinie
Ja, ich möchte den täglichen NWZonline-Newsletter erhalten. Meine E-Mailadresse wird ausschließlich für den Versand des Newsletters verwendet. Ich kann diese Einwilligung jederzeit widerrufen, indem ich mich vom Newsletter abmelde (Hinweise zur Abmeldung sind in jeder E-Mail enthalten). Nähere Informationen zur Verarbeitung meiner Daten finde ich in der Datenschutzerklärung, die ich zur Kenntnis genommen habe.
Dann haben wir uns ruhig verhalten, bis ein polnischer Soldat in britischer Uniform uns aus dem Moor holte. Ich war beängstigt, letzten Endes war ich ja doch Soldat. Die polnischen Soldaten fragten mich, ob ich Soldat sei. Ich überlegte. Vicktoria, die Frau von Hermann E., kam gebürtig aus Kattowitz, Ost-Oberschlesien. Sie konnte polnisch und sagte: „Du kannst ruhig sagen, dass du Soldat bist. Die Soldaten nehmen dich nicht gefangen.“ Dann sagte ich: „Ich bin ein Deserteur.“ Die polnischen Soldaten waren sehr freundlich.
Ein 14-jähriger Junge hatte zugesehen, wie die deutschen Soldaten auf dem Heselberger Weg Mienen eingegraben hatten. Er ging den Panzern entgegen und rief „Mienen!“. Zuvor hatte er einen Kreis um die Mienen gezogen und einen Zweig darauf gestellt. Die Soldaten hielten gleich an und kamen mit den Mienensuchgeräten heraus. Und überall, wo ein Stock stand, war auch eine Miene vergraben. Vielleicht waren sie deshalb so human zu uns. Jedenfalls bin ich nicht in Gefangenschaft gewesen.
Am 29. April spannten wir dann die Pferde an und fuhren mit unseren Habseligkeiten zurück ins Dorf nach Hause. Wir mussten über Bätholt, da die Heselberger Brücke gesprengt war. Es war ja alles bis auf ein paar Fenster heil geblieben. Meine Eltern waren mit dem Fahrrad gefahren und stellten die Räder im Stall ab. Es folgten ihnen zwei Polen, die die Räder gleich wieder mitnahmen.
Dann kam Josef Pacholski. Er arbeitete auf dem Torfwerk und kam nach Feierabend immer zu uns. Vater sagte zu Josef: „Das ist aber nicht schön, dass deine Kollegen die Fahrräder mitgenommen haben.“ „Wer war das?" Vater beschrieb die Kollegen. Josef sagte: „Ist nicht schlimm. Heute nachmittag sind die Fahrräder wieder da.“ Um 11 Uhr kamen die beiden mit den Rädern wieder angeschoben und entschuldigten sich.