Scharrel /Friesoythe Von dem Luftangriff am 18. April 1945 waren die Scharreler schockiert. Das Dorf war nach zwei Tagen menschenleer. Sie zogen ins Moor. Viehschuppen und Schafställe boten vielen Scharrelern eine Unterkunft. Das Vieh wurde am 19. April 1945 bereits ausgetrieben. Wir hatten uns in Heselberg etwa 500 Meter westlich der jetzigen Westermoorstraße auf einer Anhöhe eingegraben und darauf eine Strohhütte errichtet. Wir schliefen auf Strohsäcken – Eltern, Schwestern, ich, Maruschka, Olga, Iwan und Schladek – alle friedlich in einem Raum. Zentrifuge und Kochstelle, alles war da. Vom Moorgut kamen Querarbeiter und holten von uns Milch.
In Scharrel hatten die Pioniere 50 Meter von der Hofeinfahrt eine Bombe unter der Straße eingegraben. Der Volkssturm musste dort Wache halten. Meinem Vater waren auch nachts zwei Stunden zugeteilt worden, die ich dann übernommen habe. In der Nacht war es stockdunkel. Ich habe nach der Zündschnur gesucht, sie aber nicht gefunden. Die Bombe gefährdete auch unser Haus. Die Druckwelle hätte auch den Giebel zum Einsturz bringen können.
Granaten explodierten
In vielen Häusern hatten sich deutsche Soldaten einquartiert. Am Künstenkanal war die Front. So hausierten wir dann vom 19. bis zum 29. April 1945 mit zwei Ukrainern und zwei Russen in unserer Strohhütte.
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Die Marineartillerie hatte vom Bahnübergang zur Heselberger Straße Stellung bezogen und einige Salven abgefeuert. Dann haben sie auch wieder Scharrel verlassen. Als ich eines Tages aus dem Moor kam, stand ein Marine-Infanterist auf der Straße, fasste das rechte Pferd beim Halfter und sagte: „Ihre Pferde sind beschlagnahmt.“ Ich fragte: „Wo haben Sie Ihre Requirierungsorder? Sie sind ja gar nicht im Dienst. Wo haben Sie ihren Stahlhelm, Koppel und Waffe? Knöpfen Sie erst Ihre Uniformjacke zu.“
Er hielt das Pferd fest. Als ich das Gespann in Richtung Scharrel schwenkte und mit der Peitsche knallte, konnte er sich nicht mehr halten, und er lag im Straßengraben. Man hatte uns schon einen Wallach enteignet und gegen ein lahmes Pferd eingetauscht.
Dann gab es auch einige Tage, wo in der Nähe Granaten explodierten. Die letzten Tage im Moor hatten wir richtiges Aprilwetter. Kalter Regen, Hagel und auch Sonnenschein.
Dann, eines Abends spät, kamen Soldaten quer durchs Moor. Sie hatten den Brückenkopf jenseits des Küstenkanals aufgegeben. Einige Monate später fanden wir oben im Moor ein schweres französisches Maschinengewehr. Das hatten die deutschen Soldaten einfach weggeworfen.
Noch vor dem Bombenangriff in Scharrel war in Friesoythe ein Inferno. Eine Nachhut deutscher Scharfschützen hatte drei kanadische Offiziere erschossen und danach haben sich die Kanadier wieder zurückgezogen und Friesoythe in Schutt und Asche gelegt. Die kanadische Infanterie ist mit Flammenwerfern durch die Straßen gezogen und hat fast jedes Haus angezündet. Selbst vor dem Keller des Impfstoffwerks Dr. Meiners an der Sedelsberger Straße machten sie keinen Halt, und ein Flammenwerfer zerstörte den mit Tetanusserum gefüllten Kellerraum.
Dr. Niermann erschossen
Die drei toten kanadischen Offiziere waren in den Anlagen des Gartens von Garrel gegenüber des Gasthofs Poll vorläufig beigesetzt. Dem durch den Tod der drei Offiziere verursachten Hass fiel auch Dr. Niermann zum Opfer, der dringend zu einem Kranken gerufen wurden. Er wurde auf seinem Motorrad erschossen, obwohl er mit einem Roten Kreuz gekennzeichnet war. Ein schwerer Verlust für Friesoythe.
Die Mauern der abgebrannten Häuser sind mit einem Drahtesel zum Einsturz gebracht worden. Der Schutt ist dann auf die Straße nach Edewechterdamm gefahren worden, damit die Straße, die auf Moor lag, für Panzer befahrbar wurde. Dort lag auch der Schutt des Stadttores.
Die Kanalüberquerung musste erbittert erkämpft werden. Auf dem Soldatenfriedhof in Edewecht gegenüber der Kirche ruhen 423 gefallene deutsche Soldaten, manche so alt wie ich damals, 17 Jahre.