Cloppenburg Sich auf eine Beziehung zu altersverwirrten Menschen einzulassen: Dazu rief Michael Schmieder, langjähriger Leiter des Heims „Sonnweid“ im schweizerischen Wetzikon (Kanton Zürich), 550 Zuhörer beim 29. Tag der Altenpflege auf. „Je höher ausgebildet, desto weniger Kontakt“, kritisierte der Autor des Buches „Dement, aber nicht bescheuert“ in seinem gleichnamigen Vortrag am Donnerstag in der Cloppenburger Stadthalle. Veranstalter waren neben dem Landes-Caritasverband die Berufsfachschule Altenpflege St.-Pius-Stift Cloppenburg.
Gleichzeitig monierte Schmieder den Trend zu immer stärkerer Zertifizierung. „Zuwendung ist nicht erfassbar; das ehrliche, freundliche Lachen der Pflegenden ist nicht zertifizierbar“, so der Schweizer Demenzexperte, der eine Einrichtung mit schlechtem Ruf zu einer der führenden in Europa gemacht hat.
Dem Bundestrend entsprechend sind in oldenburgischen katholischen Pflegeeinrichtungen 70 Prozent der Bewohner dement, berichten die Heimleiter Hermann Schröer (Cloppenburg), Peter Schmitz (Delmenhorst) und Guido Suing (Lastrup).
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„Wir entfernen uns doch täglich immer mehr von unseren eigentlichen Aufgaben. Das darf doch nicht sein“, sagte Schmieder, dessen Einrichtung 150 Plätze unter anderem für Schwerstdemente bietet. Deutlich sprach sich der gelernte Krankenpfleger gegen eine Zwangsinklusion aus. „Dabeisein ist alles“, sagte der Referent, „aber nur, wenn ich nicht überfordert bin.“ Sonst sei das für alle eine Tortur.
Ein Mensch, der sein ganzes Leben zurückgezogen verbracht habe, und sich jetzt plötzlich den Nachmittag über singend in einer großen Menschenmenge aufhalten solle, „spürt seine Überforderung, aber er weiß nichts davon“. Auch sei eine Inklusion, die für Demente nur so lange gelte, wie sie ruhig seien und die Gesamtgruppe nicht stören, „eine fragwürdige Inklusion“.
Im Blick auf Baumaßnahmen empfahl der Referent, genug Platz im öffentlichen Raum zu schaffen sowie innen und außen für einfache Raumstrukturen zu sorgen. Schmieder: „Bauen Sie nicht für Menschen mit Demenz. Bauen Sie für Menschen.“ Und: „Bauen Sie keine Scheinwelten, keine Demenzdörfer.“ Altersverwirrte Männer und Frauen hätten ebenso Anrecht auf das Schöne wie wir alle. Seine Erfahrung aus rund 30 Jahren: „Es gibt viel weniger Konflikte mit Dementen, wenn wir die Dinge schön gestalten.“
Deutlich appellierte er an ständige Innovationen: Diese würden jedoch bereits verhindert, wenn zwei von fünf Mitarbeitern eines Teams unbeweglich seien. Schmieder: „Gibt es ein Recht auf einen ewigen Arbeitsplatz am gleichen Ort?“ Auch für langjährige Mitarbeiter gelte eine dreimonatige Kündigungsfrist. Menschen, die hingegen gerne zusammen arbeiten, „erreichen Unglaubliches.“