Sie sprechen an diesem Mittwoch in Delmenhorst über „Fake News“. Was verstehen Sie darunter?

Gemma Pörzgen Es ist ja inzwischen fast schon ein Modewort geworden. Aufgetaucht ist es durch Donald Trump, der den Ausdruck im Januar 2017 bei einer legendären Pressekonferenz benutzte. Als neu gewählter US-Präsident beschimpfte er den CNN-Reporter Jim Acosta mit den Worten: „Ich werde Ihnen keine einzige Frage gewähren, Sie sind Fake News.“

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Das war eine Form der Beleidigung, die in einer Demokratie nicht zum Umgang eines Präsidenten mit der freien Presse passt. Im Land selbst, aber auch international sorgte dies für einiges Entsetzen, gerade weil man diesen Umgang mit Journalisten aus Diktaturen kennt. Ich persönlich bin deshalb vorsichtig mit diesem Begriff, da er oft als Beschimpfung gegenüber Medien und Journalisten benutzt wird.

Worin unterscheiden sich diese „Fake News“ von Falschmeldungen?

PörzgenPropaganda hat es natürlich immer schon gegeben. Auch „Enten“, also fehlerhafte oder falsche Nachrichten, können uns Journalisten immer passieren können. Diese sollte man aber korrigieren. Das Phänomen, über das wir hier sprechen, ist jedoch die gezielte Desinformation über Onlinemedien, die auf Manipulation abzielt und sich durch neue technische Möglichkeiten schneller verbreiten kann.

Hinter dem Titel Ihres Vortrags steht ein Fragezeichen: „Destabilisieren Fake News unsere Demokratie?“ Wie lautet Ihre Antwort?

PörzgenDiese Gefahr besteht, gerade durch automatisierte Nachrichten in den sozialen Medien. Ich bin selbst Journalistin und glaube noch an unseren Beruf. Deshalb beobachte ich mit Freude, dass viele Kollegen es sich unverändert zur Aufgabe machen, vernünftig zu recherchieren und verlässlich zu berichten, was ist und Falschnachrichten richtig zu stellen. Allerdings schwächelt unser Berufsstand. Das bereitet mir Sorgen, denn guter Journalismus benötigt gute Einkünfte über funktionierende Geschäftsmodelle Insofern habe ich die Hoffnung, dass die Diskussion über „Fake News“ deutlich macht, wie wichtig unser Beruf in der Demokratie ist, weil wir Informationen solide recherchieren und verbreiten. Bürger brauchen valide, glaubwürdige Informationen. Und die kommen eben nicht kostenlos aus der Luft.

Zur Person

Gemma Pörzgen (57) ist freie Journalistin in Berlin mit dem Schwerpunkt Osteuropa und Außenpolitik. Sie ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der deutschen Sektion von „Reporter ohne Grenzen“.

An diesem Mittwoch, 23. Januar, um 19.30 Uhr, hält sie im „Oase Haus Adelheide“, Abernettistraße 43, einen kostenfreien Vortrag „Zwei Jahre Donald Trump – Fake News! Destabilisieren sie unsere Demokratie?“

Journalisten haben also eine enorme Verantwortung...

PörzgenJa, das finde ich schon. Die hatten sie schon immer. Vielleicht wurde sie zu Zeiten der alten Bundesrepublik nicht so gesehen, weil die Demokratie einem so selbstverständlich schien. Die haben wir vielleicht etwas zu sehr konsumiert. Aber jetzt, in Zeiten, die schwieriger werden, und wo sich die Gesellschaft polarisiert, Debatten bitterer und härter werden, erkennen wir, welche wichtige Funktion wir als Journalisten haben.

Misstrauen und Anfeindungen gegenüber Journalisten scheinen in den vergangen Jahren zugenommen zu haben. Was hat sich diesbezüglich denn verändert?

PörzgenIch glaube, die politische Auseinandersetzung ist härter geworden. Dadurch erleben wir etwas, was Journalisten in anderen Regionen schon länger kennen: dass auch wir Objekte von Anfeindungen und sogar von Angriffen sind. Das finde ich sehr beunruhigend. Gerade im Fall von vielen Neonazi- oder Pegida-Veranstaltungen hat es schlimme Angriffe gegeben. Wir erleben auch eine gezielte Diskreditierung unseres Berufs mit diesem furchtbaren Wort der „Lügenpresse“, das ja eigentlich aus der NS-Zeit stammt. Dass das oft sehr leichtfertig verwendet wird, ist sicherlich beunruhigend und falsch. Durch die Krise unseres Berufsstandes sind wir zum Teil aber auch selbst schuld, dass man uns nicht mehr so viel Vertrauen schenkt. Fälle wie der des Spiegel-Reporters Relotius, der ganze Reportagen gefälscht hat, ohne dass die Redaktion es bemerkt hat, geben sehr viel Anlass, darüber nachzudenken, was bei uns in der Branche schief läuft und was wir besser machen müssen.

Was können Journalisten besser machen? Und wie können sich Journalisten gegen Anfeindungen und Lügenpressevorwürfe wehren?

PörzgenWir können einfach solide arbeiten. Überzeugen, durch das, was wir tun. Außerdem ist die Solidarität mit Kollegen, weltweit und im eigenen Land sehr wichtig. Man muss sich mit anderen solidarisch machen. Das erlebt man zum Beispiel bei Versuchen der AfD, bestimmte Kollegen von Pressekonferenzen auszuschließen. Das gelingt dann eben nicht. Es gab schon Pressekonferenzen, da ist niemand gekommen, weil es den Versuch gab, Kollegen auszuschließen. Dann kommen eben alle Journalisten nicht. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Zurück zum Titel Ihres Vortrags: Wie stark gefährden Fake News die Demokratie in Deutschland?

PörzgenIm Vergleich zu vielen anderen Ländern sind wir immer noch gut aufgestellt. Auch wenn unsere Presse kriselt, gibt es hierzulande noch vergleichsweise viele Zeitungen, die noch von vielen Leuten gelesen werden. Das sind allerdings zunehmend mehr ältere Leute und immer weniger jüngere. Außerdem haben wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. An dem gibt es sicherlich viel zu kritisieren. Aber er gewährleistet beispielsweise ein sehr gut aufgestelltes Korrespondentennetzwerk weltweit. Viele Zeitungen können das gar nicht mehr bezahlen, wodurch es immer mehr Lücken in der Auslandsberichterstattung gibt. Ich denke schon, dass wir mehr noch dafür tun müssen, um eine gewisse Qualität zu erhalten.

Wer steht da außer Journalisten denn in der Verantwortung?

PörzgenEhrlich gesagt, auch die Verleger. Wenn ich mir bestimmte Entwicklungen gerade bei Regionalzeitungen ansehe, habe ich den Eindruck, dass in den Verlagen immer weniger Menschen arbeiten, die publizistische Grundsätze in den Vordergrund stellen, sondern glauben, Zeitungen verkaufen zu können wie Tiernahrung oder Waschmittel. Dies und die Monopolisierung tragen zum Ruin mit bei. Ich wünschte mir oft auch in den Verlagen in allen Abteilungen – bis hin zur Anzeigenabteilung – Leute, denen es ein bisschen mehr um Journalismus und nicht nur ums Verkaufen geht.