Berlin - Böse Aliens aus dem Weltraum, die Menschheit im verzweifelten Abwehrkampf, doch am Ende geht natürlich alles gut aus. So läuft es in Filmen wie „Independence Day“, so war es auch im ersten „XCOM“. Oder doch nicht? „XCOM 2“, Nachfolger des 2012 erschienenen Strategie- und Taktikspiels, stellt das Klischee auf den Kopf: Hier hat die Menschheit die außerirdische Invasion nicht aufhalten können. 20 Jahre später haben die Aliens die ganze Erde besetzt, nur eine kleine Gruppe von Rebellen, XCOM genannt, stemmt sich noch gegen ihre Diktatur. Und der Spieler ist ihr Anführer.

Vom Verteidiger zum Widerstandskämpfer: Was zu Beginn nur wie ein interessanter Aufhänger für die Story wirkt, erweist sich mit der Zeit als Geniestreich. Denn „XCOM 2“ bietet die gleiche Mischung aus globaler Strategie, Basisbau und taktischen Kämpfen, die auch schon im Vorgänger begeisterte. Damit das zur neuen Hintergrundgeschichte passt, hat Entwickler Firaxis Games aber an vielen Stellschrauben gedreht, so dass es sich fast wie ein neues Spiel anfühlt.

XCOM hat etwa kein unterirdisches Hauptquartier mehr, sondern fliegt mit einem gekaperten Ufo umher. Das führt dazu, dass der Spieler ständig neu entscheiden muss, wo seine Dienste gerade am dringendsten gebraucht werden: Lieber in Sibirien neue Soldaten rekrutieren oder in Indien nach Rohstoffen suchen? Widerstandszellen in Japan kontaktieren oder den Verbündeten in Ägypten helfen?

Unterstützung bekommt der Spieler dabei von Beratern und Forschern, die im Inneren des Ufos zum Beispiel an neuer Ausrüstung basteln. Einfacher wird das Spiel dadurch aber nicht, denn auch hier müssen Hobby-Kommandanten ständig zwischen Pest und Cholera wählen: Lieber ein neues Labor bauen und darüber den Bau neuer Rüstungen vernachlässigen? Oder alles in neue Waffen investieren und die Gesundheit der eigenen Soldaten riskieren?

Herzstück eines „XCOM“-Titels sind natürlich die taktischen Gefechte, in denen der Spieler mit bis zu sechs Soldaten Zug um Zug und Runde um Runde gegen die Außerirdischen kämpft. Hier hat sich durch die neue Hintergrundgeschichte mit Abstand am meisten geändert: Wie es sich für echte Guerillas gehört, schlagen die XCOM-Kämpfer meistens überraschend aus den Schatten zu. Zu Beginn der meisten Gefechte darf der Spieler seine Soldaten daher zunächst frei bewegen, die Lage erkunden und Hinterhalte für die ahnungslosen Feinde legen.

Das ist auch bitter nötig, denn die Aliens sind den XCOM-Rebellen nicht nur zahlenmäßig überlegen. Vom Kampfroboter bis zu riesigen Schlangenmenschen bringen die Unterdrücker auch eine bunte und sehr tödliche Mischung an Waffen und Monstern in die Gefechte mit. Wer da eine Chance haben will, muss selbst auf dem niedrigsten von vier Schwierigkeitsgraden bei jedem Zug gut überlegen. Und selbst dann lassen sich Verletzungen oder Todesfälle manchmal nicht vermeiden.

„XCOM 2“ ist also selbst im Vergleich zum nicht gerade einfachen Vorgänger richtig, richtig schwer. Im ersten Anlauf ist der Krieg gegen die Außerirdischen vermutlich nur für geübte Strategen zu gewinnen. Das liegt auch daran, dass „XCOM 2“ viele seiner Regeln und Systeme nicht besonders gut erklärt. Vor allem Neulinge, die den ersten Teil nicht kennen, verstehen am Anfang vermutlich nur Bahnhof.

Wer den Kampf gegen die Aliens deshalb zwei- oder dreimal von vorne beginnt, muss aber zum Glück keine Langeweile fürchten: Weil viele Kleinigkeiten wie die Startposition des XCOM-Ufos beim Spielstart zufällig bestimmt werden, spielt sich jede Partie etwas anders. Auch die Level für die Taktikgefechte stammen im Gegensatz zum Vorgänger aus dem Zufallsgenerator, Wiederholungen gibt es keine. Und langweilig werden die Kämpfe durch die dramatische Inszenierung mit vielen Kameraschwenks und Zeitlupen ohnehin nicht.

Hier erlaubt sich das Spiel aber auch ein paar technische Patzer: Grafik- und Softwarefehler wie Aliens, die plötzlich durch Wände schießen, können vorkommen. Und die Grafik ist zwar hübsch, verlangt aber auch nach viel Rechenleistung. Ansonsten ähneln vor allem die Taktikkämpfe mit viel Rauch und Explosionen schnell einer Diaschau.

Strategen mit Geduld, Geschick und einem schnellen Computer dürfte „XCOM 2“ gut und gerne 30 bis 40 Stunden beschäftigen. Und wer so verrückt ist, den Schwierigkeitsgrad ganz hochzudrehen, darf vermutlich noch mehr Zeit einplanen. Ob das neue „XCOM“ auch auf die Konsolen kommt, ist noch unklar. Auf dem PC kostet der von 2K Games vertriebene Titel etwa 50 Euro und ist ab 16 Jahren freigegeben.