Emden - Im Vorjahr zum ersten Mal dabei, Atmosphäre, Radfahren und Matjes genossen, und jetzt direkt wiedergekommen: In Serien-Weltstar Tom Wlaschiha („Stranger Things“, „Game of Thrones“, „Das Boot“) scheint das Emder Filmfest einen neuen Fan gefunden zu haben. „Es ist eine total herzliche und offene Atmosphäre hier – man kommt mit den Menschen ins Gespräch und hat das Gefühl, die ganze Stadt feiert Filmfest“, schwärmt der 49-Jährige beim Treffen am Freitag auf einen Kaffee im „Upstalsboom“. Wie gut also, dass sich im Kalender des international gefragten Schauspielers gerade eine glückliche Lücke fand, als er für die Jury des diesjährigen Emder Drehbuchpreises angefragt wurde.
Jury-Premiere
Für ihn eine Premiere. „Ich war tatsächlich noch nie in einer Jury eines Filmfests“, bekennt Wlaschiha. „Auch in Emden habe ich letztes Jahr beim Drehbuchpreis ja ‘nur’ vorgelesen.“ Das fühle sich schon wie ein kleiner Aufstieg an. Bemerkenswert, das von jemandem zu hören, der doch eigentlich schon Gipfelstürmer ist und letztes Jahr mit dem zweimal oscar-nominierten „Chocolat“-Regisseur Lasse Hallström gedreht hat.
Und wie war die Jury-Arbeit bisher? „Die hat Spaß gemacht“, sagt er. „Ich mag sowieso gern Drehbücher lesen, ich brauche vorher auch keine Zusammenfassung, sondern setze mich einfach in den Sessel und fange an.“ Im Falle des Emder Drehbuchpreises waren das zehn vorausgewählte Skripte. „Das Reizvolle daran ist, dass man einen ganzen Querschnitt von neuen, aber auch routinierten Autoren bekommt, die alle völlig unterschiedliche Stile haben“, findet Wlaschiha. „Und dann ist so eine Jury auch eine gute Übung in Demokratie.“ Jeder habe seinen eigenen Favoriten und eine andere Sicht, da müsse man sich erst mal einigen. „Das hat aber gut geklappt“ – im Gegensatz zu seinen eigenen Drehbuch-Versuchen, die bisher allesamt gleich wieder im Papierkorb landeten.
Einmal Wundertüte, bitte
Dann doch lieber Jury. Auch wenn er dadurch in Emden bisher keine Zeit zum Filmegucken hatte – nur zum „Hören“ beim Mitternachtstalk. „Aber vielleicht klappt es am Nachmittag noch“, hofft er. „Ich nehme dann spontan das, was gerade läuft.“ Diesen Wundertüten-Effekt mag er.
Abwechslung prägt gerade auch sein Leben als Schauspieler. Letztes Jahr nach dem Filmfest drehte er in den USA mit „Mrs. Davis“ schon wieder eine neue Serie, die dank ihres aktuellen Themas wohl auch in die europäische Streamingwelt schwappen dürfte. „Es geht um künstliche Intelligenz und um den Kampf Technologie gegen Glaube, aber sehr humorvoll erzählt“, verrät Wlaschiha. Sein nächster Termin nach Emden führt ihn diesmal zur Comic-Messe Comi Con nach Budapest – was natürlich mit „Game of Thrones“ und „Stranger Things“ zu tun hat. Letztere Serie soll ja noch eine allerletzte Staffel erhalten. Wie die aber aussehen wird und ob Wlaschiha als russischer Gefängniswärter Dmitri Antonov wieder mit von der Partie ist, weiß wegen des Autorenstreiks in Amerika noch niemand. „Die Staffel davor habe ich aber schon mal überlebt, eine gute Voraussetzung“, kommentiert er schmunzelnd.
Ab ins Marvel-Universum
Dazwischen war noch ein Ausflug ins Marvel-Universum drin. Gemeinsam mit Devid Striesow (ebenfalls schon Mehrfachtäter beim Emder Filmfest) hat er eine Hörbuch-Staffel für „Marvel’s Wastelanders“ eingelesen. Wlaschiha spricht den inzwischen etwas in die Jahre gekommenen Star-Lord aus „Guardians of the Galaxy“, Striesow den dazugehörigen Rocket (ab 28. Juni kostenlos bei Audible herunterzuladen).
Was macht man bei so viel Action als Ausgleich in der Freizeit? „Einfach mal nichts“, sagt Wlaschiha. Oder Radfahren. Das hat er im Corona-Lockdown für sich entdeckt – und weitergepflegt. Letzten Herbst zum Beispiel radelte er mit einem Freund in acht Tagen von München über die Alpen nach Venedig. „In diesem Jahr planen wir noch mal so was, vielleicht auch mal an der Nordseeküste, das Wegenetz dort ist ja riesig.“
In Emden dagegen bleibt diesmal leider keine Zeit, um sich eines der Filmfest-Räder für eine spontane Tour ans Wasser zu schnappen. Aber es muss ja auch nicht der letzte Besuch hier gewesen sein. „Vielleicht bringe ich dann mein eigenes Rad mit“, sagt Wlaschiha, lächelt und blinzelt entspannt in die Sonne.