Mainz - Schon verstanden: Die See ist rau rund um dieses kleine, namenlose Ostseedorf irgendwo bei Stralsund, die Menschen sind noch rauer. Aber zwei Kumpel, die nebeneinander unter demselben Reetdach wohnen und in demselben Kutter zur See fahren, die verstehen einander auch mit wenigen Worten. Und wen man hier einmal ins Herz geschlossen hat, den bringen auch Wind und Wetter nicht mehr dort heraus.

Veränderungen stehen die gestandenen Fischer ziemlich skeptisch gegenüber. In ihren Augen erscheint ein Typ wie der sakkotragende Bürgermeister (Jürgen Tarrach) schon außerirdisch genug. Kommt dazu, dass dieser aalglatte Fatzke seinen Ort auch noch zum modernen Touristenziel ummodeln will.

Regisseur und Autor Jochen Alexander Freydank, 2009 Oscarpreisträger für seinen Kurzfilm „Spielzeugland“, führt jede Menge dieser Fischkopp-Klischees in seine Geschichte ein, die folgerichtig eine der Entschleunigung werden müsste. Das ZDF zeigt die Komödie „Große Fische, kleine Fische“ am Donnerstag um 20.15 Uhr.

Aber weit gefehlt: Bald schon zieht Freydank sein Erzähltempo an, wie es nicht nur in der stereotypen Nordmenschenklamotte, sondern im zeitgenössischen Fernsehfilm an sich selten geschieht: Paul (Uwe Ochsenknecht), einer der beiden Freunde, muss wegen einer Spitzfindigkeit des Bürgermeisters in die Stadt, zur medizinischen Untersuchung zwecks Erneuerung seines Kapitänspatents. Die Arzthelferinnen machen sich einen Spaß mit dem Landei und schicken ihn zur Fruchtbarkeitsuntersuchung, das Ergebnis: Alles bestens für die Schifferei, aber „dass sie zeugungsunfähig sind, das wissen Sie ja“, sagt der Arzt nonchalant im Nebensatz. Dumm nur, dass Paul immer gedacht hatte, einen Sohn zu haben.

Eine echte Katastrophe ist dagegen der Tod seiner schwerkranken Frau, kaum dass Paul wieder zurück ist. Sein letztes Gespräch mit ihr, das nun ein Monolog sein muss, zeigt einen Uwe Ochsenknecht, wie er selten zu sehen war: heulend, stotternd, mit zitterndem Kinn.

Zur Beerdigung kommt Piet (Axel Stein), Pauls vermeintlicher Sohn, zurück an die Küste, wo er einst die schmucke Lisa (Cornelia Gröschel) zurückließ. Ein Empfang mit offenen Armen wird es trotzdem nicht – nicht von Paul, nicht von Lisa, die mittlerweile einen kleinen Sohn hat, und auch nicht von Fiete (Dietmar Bär), Pauls bestem Freund, der – wie sich rasch herausstellt – Piets biologischer Vater ist.

Diese Enthüllung entzweit natürlich die Kumpel und Nachbarn. Es beginnt ein Kleinkrieg, der unter anderem eine Touristenfamilie in die Wohnung des schlummernden Fiete bringt, von Paul mit dem Schild „Fischermuseum“ angelockt. Offenbaren können die beiden Sturköpfe sich nur im Gespräch mit der Urne ihrer Verflossenen, die sie – nacheinander und jeder für sich – aus der Aussegnungshalle entführen, um die Asche über dem Meer zu verstreuen.

Genau in dieser Kombination von lakonischem Humorund tiefem Gefühl liegt die Stärke von Freydanks Film. Es gilt stets, dass hinter der Fassade etwas brodeln mag – bereit hervorzuspringen, um das aufgestaute Adrenalin explosiv nach außen zu tragen. Zwischen Fiete und Piet, seinem Sohn, sieht die erste Annäherung freilich so aus: eine große Tasse Kaffee im Stehen, Luft holen, vorbereiten auf die große Neuigkeit, ausatmen, dann das zwischen den Lippen hervorgepresste Wort: „annermal“.