Varel In Varel wurde 1876 die bisherige Bürgerschule in eine Realschule umgewandelt. Mit ihr entstand aber auch ein kleines System, die Höhere Lehranstalt Varel, zu der neben der Realschule (für Jungen) eine Höhere Töchterschule und die gemeinsame Vorschule gehörten. Als Direktor des Ganzen gewann die Stadt Dr. Armknecht.
Für die Realschule wurde ein neues Gebäude an der Osterstraße erstellt, die höhere Töchterschule und die Vorschule verblieben in der Nebbsallee. Der Chronist Henk hält diese Trennung der Geschlechter für „verhängnisvoll“, weil damit „die in einer kleinen Gemeinde notwendig beschränkten Mittel zersplittert wurden und der Bestand jeder auf dieser Grundlage geschaffenen Verbesserung gefährdet blieb“.
Geschlechter-Trennung
Aber es entsprach dem – in diesem Fall jahrzehntelang andauernden – Zeitgeist, das gemeinsame Unterrichten von Mädchen und Jungen als ein Problem wahrzunehmen. So wurde in den Volksschulen die Trennung in Varel schon 1856 beschlossen und zwei Jahre später mit dem Neubau einer Knabenschule umgesetzt.
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Dieses Beispiel zeigt, dass wichtige „abendländische Werte“, in diesem Fall die Vorstellung von der grundsätzlichen Gleichheit der Bildungsansprüche der Geschlechter und den Vorteilen einer gemeinsamen Erziehung, vor gar nicht langer Zeit noch ganz anders verstanden wurden, als das heute der Fall ist. Alles hing nun davon ab, dass die Lehranstalten genügend zahlende Schüler fanden.
Zu den umworbenen Kandidaten gehörte nach eigener Auskunft der „unerfahrene Bauernsohn“ Georg Ruseler. Denn „wegen seiner geistigen Anlagen und seiner Belesenheit (…) versuchten einige Herren aus Varel ihn zu bewegen, sich auf der dortigen Realschule weiter auszubilden. Auch hatte er schon mit dem Direktor gesprochen, aber er setzte sich eigensinnig dagegen.“ Er entschied sich stattdessen – und zu seinem späteren Bedauern – 1880 für den Besuch des Lehrerseminars in Oldenburg, weil er damit die Aussicht verband, schneller seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen.
So wie im Fall Ruseler entschieden sich wohl viele Familien aus Varel und Umgebung. Denn die Schülerzahlen stiegen nicht in dem Maße wie die Ausgaben, die die Höheren Lehranstalten verursachten. Und anders als zum Beispiel in Jever hatte diese Kosten vor allem die Stadt zu tragen.
„Fauler“ Kompromiss
Entsprechend gab es von Anfang an eine kontroverse Diskussion, wie dem Übel abgeholfen werden könne. Während Direktor Dr. Armknecht für eine Steigerung der Attraktivität durch den Ausbau zu einer Realschule erster Ordnung mit Latein und verlängerter Schulzeit, einem sogenannten „Realprogymnasium“, und eine faire Unterstützung aller Schulen durch den Staat warb, wollten seine Gegner die Schule wieder zu einer Bürgerschule zurückbauen.
Ein erster „fauler“ Kompromiss bestand darin, die Realschule 1879 um die Landwirtschaftsschule, später um eine landwirtschaftliche Winterschule zu erweitern, und die Schüler in bestimmten Fächern gemeinsam zu unterrichten. Die Fluktuation unter den Lehrern aber war groß.
Zu den wenigen Konstanten gehörte der Lehrer für Französisch, Englisch, Deutsch, Religion, Geschichte, Geographie und Kurzschrift Ernst Ahnert. Er durfte als seinen begabtesten Schüler von 1884 bis 1887 Ferdinand Hardekopf unterrichten.
Schulgebäude verkauft
Als der erwartete Erfolg der Höheren Lehranstalt ausblieb, beschloss eine Mehrheit im Stadtrat 1887, also ein gutes Jahrzehnt nach ihrer Gründung, aus der Realschule wieder eine Bürgerschule zu machen. Dr. Armknecht wurde entlassen und starb bald darauf, Schulleiter wurde noch einmal für sechs Jahre der 70-jährige Dr. Ballauff.
Selbst das neue Schulgebäude in der Osterstraße, das nun nur noch die landwirtschaftlichen Schulen beherbergen sollte, wurde 1892 mit Verlust an den oldenburgischen Staat verkauft. Als Ersatz errichtete die Stadt für die Bürgerschule ein neues Gebäude an der heutigen Moltkestraße.