Jever In der Nacht zu Dienstag wurde in Jever ausgiebig Püttbier gefeiert: Punkt Mitternacht wechselten Zylinder, Kette und Söker an den Püttachten den Träger. Die neuen Püttmeister übernahmen ihr Amt. Zu dem Fest gehörten der Jahresrückblick des Püttmeisters, die Bekanntgabe von Ehrungen und Jubiläen und in einigen Gemeinschaften auch das Taufen neuer Püttmitglieder.
Dass sich nach Fräulein Marias Verordnung von 1536 und der Neufassung der Jeverischen Brunnenordnung 1756 von der anhalt-zerbstischen Landesregierung ein über die Stadtgrenzen hinaus bekanntes Fest entwickelt, hätte wohl kaum jemand vermutet. So feiern die Püttgemeinschaften noch heute am Montag nach dem Dreikönigstag ein Fest, das Tradition bewahrt und Nachbarschaft pflegt.
In Jever gab es innerhalb der Stadtbefestigung 16 öffentliche Brunnen bzw. „Pütten“. Jeder Brunnen versorgte einen abgegrenzten Stadtbezirk, dessen Bewohner zu einer „Püttacht“ gehörten. Als im Jahr 1929 die Wasserversorgung aus dem Reichswasserwerk Feldhausen in Betrieb ging, endete die Trinkwasserversorgung aus den Pütten in Jever.
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Als wichtiger Beitrag zur städtischen Trinkwasserversorgung entstanden, nahm das Püttbier immer stärkeren Einfluss auf die Festkultur der männlichen Stadtbevölkerung, bei der das Bier keine unerhebliche Rolle spielte. Das Püttbuch diente der Brunnengemeinschaft als Geschäfts- und Protokollbuch. Hier wurden die Einnahmen und Ausgaben genauestens aufgezeichnet und während des geschäftlichen Teils der jährlichen Versammlung geprüft und ein neuer Püttmeister gewählt. Danach folgte dann der gemütliche Teil mit dem eigentlichen Püttbier.
Die Ausgestaltung des 260. Püttfestes 2019 stand im Mittelpunkt der Zusammenkunft der Küsters-Pütt im Karlshof. Diese Pütt gehört zu den ältesten Pütten in Jever und stammt aus dem Jahr 1756. Sie steht vor dem Café Maria an der Wasserpfortstraße, wo einst das Haus des Küsters stand. Das Fest begann mit Hochzeitssuppe, Snirtjebraten und Roter Grütze. Mit Fackeln und Gesang marschierten die 15 Püttgenossen zur Pütt, wo Butenjeveraner Hermann Lüken die Amtskette an Jürgen Ludewig übergab.
Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Nachbarschaft zu stärken ist wichtiger Bestandteil der Schlesierpütt in Rahrdum, die ihr 10. Püttbier feierte. Wie immer wurde im Haus der Brunnenbesitzer Anne und Gerd Wilken viel gesungen, begleitet von Herta Reck auf der Handharmonika und Heinz Werdermann auf der Teufelsgeige. Günther Remmers übernahm um Mitternacht die Püttmeister-Insignien von Anne Wilken.
Auch an einer Traditionspütt, dem Bremer Schlüssel, benannt nach der Gaststätte, die jetzt „Pütt“ heißt, wurden die Insignien übergeben. Die Pütt besteht 250 Jahre und gehört zu den ältesten in der Stadt.
Das vor 250 Jahren erstellte Püttbuch wurde 1962 durch ein zweites Buch ergänzt, in diesem Jahr überreichte Bürgermeister Jan Edo Albers das dritte Buch. Aus einem Eintrag im Püttbuch berichtete Dieter Nöth, dass es 1946 wegen der schlechten Versorgungslage kein Püttbier gab. Seit vielen Jahrzehnten wird am Festabend eine „Eiswette“ mit der Bestimmung auf Plus- oder Minusgrade abgegeben. Die Verlierer geben, so ist es der Brauch, eine Runde aus.
Hermann Peters weiß aus Erzählungen, dass die Bewohner des Gartenswegs ihr Trinkwasser als „geduldete Benutzer“ aus der Bremer-Schlüssel-Pütt holen durften und dafür entsprechend bezahlten. Das Brauchwasser entnahmen die Bewohner aus den damals noch sauberen Gräben.
Neuer Püttmeister der Püttacht St. Annen-Straße wurde nach entsprechender Wahl der Püttinteressenten, wie die Mitglieder genannt werden, Dr. Hans-Jörg Wilhelmy. Zum 275-jährigen Jubiläum gab es in der nur aus Männern bestehenden Püttacht eine Besonderheit: In Prof. Dr. Antje Sander war ausnahmsweise eine Frau im Kreis der Männer anzutreffen – zumindest vorübergehend. Denn sie referierte eine Viertelstunde lang über „Püttwesen in Jever“.