Neuenburg Mit einem Stück so süß wie Kaiserschmarrn, so seicht wie das Wasser im Wolfgangsee und doch mit der Wucht einer Alpenlawine eröffnet das Niederdeutsche Theater Neuenburg die Saison: Das Theater zeigt „Im Weißen Rössl“. Und weil die Friesen den österreichischen Klassiker auf Plattdeutsch spielen, hat das Stück nicht nur Witz, sondern auch eine Extra-Portion Ironie wie das Sahnehäubchen auf einer Sachertorte.
Das massive und gelungene Bühnenbild trägt dazu bei, dass sich die Zuschauer trotz der plattdeutschen Sprache ganz in der österreichischen Region Salzkammergut wähnen. Dort liebt der Ober Leopold die Wirtin und die Wirtin schwärmt für einen prominenten Gast, der allerdings der Tochter eines griesgrämigen Hamburgers verfällt.
Großartiger Regisseur
Bei der Premiere am Freitag glänzten die Schauspieler ganz nach Neuenburger Manier mit durchgehend hervorragendem Spiel. Doch weil es sich um ein Singspiel handelt, war es mit Schauspielerei allein nicht getan: Die Akteure sangen und tanzten sich mit Bravour durch das Stück, was nicht allein den naturgegebenen Talenten der Darsteller, sondern auch dem großartigen Regisseur Philip Lüsebrink zu verdanken ist. Er hat das „Weiße Rössl“ jetzt schon zu einem Klassiker des Neuenburger Repertoires gemacht, ebenso wie die „Haifischbar“ und die Revue „Wir sind woller wer“.
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Beim „Weißen Rössl“ hat das Niederdeutsche Theater Neuenburg neben dem Bremer Regisseur noch ein zweites Ass im Ärmel: Der Hauptdarsteller Hendrik Löw aus Zetel trägt das gesamte Stück mit seiner professionellen Gesangsstimme – ein absoluter Glücksgriff für die Besetzung der Rolle des Leopold. Das einzige, was Peter Alexander im gleichnamigen Fernsehfilm besser konnte, war es, das „R“ zu rollen. Auch Bastian Warntjen überrascht in seiner Rolle als Dr. Otto Siedler mit bemerkenswertem Gesangstalent und besonderer Anmut als Advokat. Wie immer Verlass ist auf Helma Lübben in der weiblichen Hauptrolle, sie hält das ganze Stück mit ihrem sicheren Spiel zusammen. Ein absoluter Hingucker ist Nina Cramer bei ihrem Auftritt im pinken Jumpsuit, in dem sie dem Anwalt sehr glaubhaft den Kopf verdreht.
Total aus sich heraus kommt Peter Egenhoff, der überzeugend in kindlicher Reisefreude schwelgt. Seine Tochter, die unschuldige und zurückhaltende Klärchen, wird hervorragend gespielt von Paula Heinrich, die es sogar schafft, beim Singen zu lispeln. Die staatstragende Manier von Wolfgang Fischer (Kaiser Franz Joseph II), eine tolle Herma Straten als harsche Kathi Weghalter von der Reichspost und Nils Ebeling als Kellner Piccolo mit einem Heul-Ausbruch, der in der Schauspielerei seines Gleichen sucht, begeisterten am Freitag das Publikum. Gerd Diers gab authentisch und voller negativer Energie den hanseatischen Griesgram Wilhelm Giesecke.
Alle Augen auf Sigismund
Die Überraschung des Abends war Christian Kroll als Sigismund Sülzheimer. Er zieht mit seinem mitreißenden Schauspiel alle Blicke auf sich und erntet jede Menge Lacher, Ohrwurm inklusive. Denn mal ehrlich: Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist?