Jever /Neustadtgödens „Indigo“ stand auf der braun gestrichenen Holzdose, die Jevers Blaudrucker Georg Stark im vergangenen Jahr zum 30-jährigen Bestehen der Blaudrucker-Werkstatt am Kattrepel 3 geschenkt bekam. Indigo und Gummi arabicum – so das Etikett der zweiten Dose – sind Grundstoffe des Blaudruckerhandwerks, das Stark pflegt.
Als Georg Stark sich die beiden Dosen näher anschaute, entdeckte er, dass unter der braunen Farbe weitere Farbschichten durchschienen. Und so schickte er die Holzdosen ins Apothekenmuseum in Heidelberg, wo es eine Sammlung von alten Apothekerdosen und eine Restauratorin gibt. „Es dauerte Monate“, sagt Ingeborg Borchers. Sie hat zwei weitere Holzdosen aus ihrem Bestand mitgeschickt.
Und dann kamen beide aus dem Staunen nicht mehr heraus: Die Restauratorin hatte die später aufgetragenen Farbschichten abgetragen bis auf die erste Schicht – und die zeigt auf schwarzem Grund ein grünrotes Rankenmuster mit Blütenmotiven. Opium, Lignum Santalinum album – weißes Sandelholz –, Costus amarus und Lignum Sanctum – Heiliges Holz – lauten die ursprünglichen Beschriftungen der Holzdosen.
Einwilligung und Werberichtlinie
Ja, ich möchte den täglichen NWZonline-Newsletter erhalten. Meine E-Mailadresse wird ausschließlich für den Versand des Newsletters verwendet. Ich kann diese Einwilligung jederzeit widerrufen, indem ich mich vom Newsletter abmelde (Hinweise zur Abmeldung sind in jeder E-Mail enthalten). Nähere Informationen zur Verarbeitung meiner Daten finde ich in der Datenschutzerklärung, die ich zur Kenntnis genommen habe.
„Das sind alles klassische Drogen aus dem Altertum“, weiß Ingeborg Borchers: „Die Holzdosen eröffnen uns einen faszinierenden Einblick in die Vergangenheit.“ Opium wurde einst großzügig als Schmerzmittel verwendet, Sandelholz wegen seiner beruhigenden Wirkung, Lignum Sanctum, das Guajak-Holz, aus dem übrigens lange die Boßelkugeln hergestellt wurden, wurde als Mittel gegen Syphilis verwandt. Und Costus amarus – Bitterkosten – ist ein magenstärkendes Mittel.
Laut Apothekenmuseum Heidelberg ist die Bemalung der Neustadtgödenser Dosen einzigartig – Vergleichbares gibt es in der Heidelberger Sammlung nicht, berichtet Georg Stark. Er ist begeistert vom Ergebnis: Denn bis auf Guajak-Holz, das aus Südamerika stammt, kommen alle anderen Drogen aus Ostasien – und dort liegen die Ursprünge der Blaudrucker-Kunst.
Eine dendrochronologische Untersuchung zur Datierung des Alters der Holzdosen, die Stark im Emsland hat vornehmen lassen, hat ergeben, dass die Buche, die zu den Apothekerdosen verarbeitet wurde, 1642 gefällt wurde. „Man muss zwischen Fälldatum und Verarbeitung rund 30 Jahre rechnen – damit wären die Dosen in den 1670er Jahren gefertigt worden“, sagt Stark.
Und das ist eine Sensation für Ingeborg Borchers: Denn 1674 wurde die Apotheke in Neustadtgödens als eine der ältesten in Ostfriesland eröffnet. Und 1684/85 war der berühmte Albertus Seba Lehrling in der Apotheke. „Wahrscheinlich hatte er diese Dosen einst in der Hand“, freut sie sich.
Die Dosen können in dieser und kommender Woche in der Blaudruckerei besichtigt werden.