JEVER Die am Freitag in der NWZ veröffentlichte Nachricht, dass der Netto-Markt an der Steinstraße schon am 16. Juni schließt, sorgt in der Stadt für Diskussionen – und löst gerade bei älteren Bewohnern der Innenstadt auch Unmut und Sorgen aus.
„Ich war völlig perplex – für die alten Leute ist das ein echtes Problem“, sagt die stellvertretende Vorsitzende des Seniorenbeirats, Renate Reck. Schließlich sei Netto derzeit das einzige Geschäft in der Innenstadt, das zum Beispiel für die Bewohner der Seniorenwohnungen im Bereich Drostenstraße, Steinstraße und Hopfenzaun zu Fuß zu erreichen sei.
„Es ist nicht in Ordnung, wenn die Leute so plötzlich vor verschlossenen Türen stehen“, sagt auch die 77-jährige Hildegard Rocker, die gemeinsam mit Martha Dettenmaier (78) am Dienstag bei Netto einkaufen ging: „Da muss eine Lösung her.“
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Wie berichtet, gibt es schon seit Jahren Diskussionen um den jetzigen Netto- und früheren Plusmarkt. Die Betreiberfirma hatte immer wieder angekündigt, einen aus ihrer Sicht günstigeren Standort in Jever suchen zu wollen. An der Steinstraße ist das Geschäft nur schwer mit dem Auto zu erreichen.
Es gab Diskussionen über Neubauten an der Blauen Straße und an der Schillerstraße. Die Stadt hatte sich gegen die Verlegung gesperrt: Sie wollte die Nahversorgung der Bürger in der Innenstadt nicht gefährden. Zudem schließt inzwischen der Flächennutzungsplan zum Schutz des innerstädtischen Einzelhandels den Neubau von Verbrauchermärkten am Stadtrand faktisch aus.
Überraschender Rückzug
Trotz dieser lang anhaltenden Querelen kommt der schnelle Rückzug von Netto auch für die Stadt überraschend. Sie hatte gehofft, dass Netto zumindest bis zur Eröffnung des neuen Verbrauchermarkts im St.-Annen-Quartier an der Steinstraße bleibt. Im St.-Annen-Quartier wird derzeit ein Neubau erstellt, der aber frühestens zum Jahresende fertig sein und dann von einem Edeka-Pächter betrieben wird. Nach Informationen der NWZ lag auch Plus/Netto das Angebot vor, in das neue Quartier umzuziehen. Dieses Angebot ist aber offenbar ausgeschlagen worden.
Dass Netto schon am 16. Juni schließt und nicht noch zumindest bis zum Jahresende wartet, liegt nach Angaben von Unternehmenssprecherin Christina Stylianou an den Mietverträgen für das Gebäude an der Steinstraße. Netto wolle gerne ich Jever bleiben, der Standort an der Steinstraße entspreche aber nicht mehr den Anforderungen des Unternehmens. Nun laufe der Mietvertrag aus. Auf Eröffnungspläne der Mitbewerber könne Netto keine Rücksicht nehmen. Netto suche aber einen geeigneten neuen Standort.
Frequenzbringer
Am Sonnabend, 16. Juni, ist letzter Öffnungstag im Netto-Markt. Anschließend gibt es an der Steinstraße vorerst einen „Riesenleerstand“, so Stadtmanager Jochen Gemeinhardt. Auch er bedauert, dass Netto die Innenstadt verlässt, zumal der Fußgängerzone an der „Langen Meile“ dadurch ein wichtiger Frequenzbringer verloren geht.
Für die Bewohner der Innenstadt kommt erschwerend hinzu, dass auch der Edeka-Markt an der Bahnhofstraße voraussichtlich vom 31. Juli bis zum 1. Oktober schließt, weil der alte Markt abgerissen und der Neubau bezogen wird (die NWZ berichtete). Es bleiben dann in mehr oder weniger weit entfernten Stadtrandlagen der Lidl-Markt am Hooksweg, der Aldi-Markt an der Wittmunder Straße und der Famila-Markt an der Mühlenstraße.
In die Pläne, ergänzend zum St.-Annen-Quartier ein Hotel zu bauen, kommt durch die Netto-Schließung unterdessen neue Bewegung. Investor Dr. Karl Harms will nun zügig mit dem Eigentümer über einen Kauf des Gebäudes an der Steinstraße verhandeln, an dessen Standort das Hotel entstehen soll.
Mal eben schnell bei Netto einkaufen: Für die Bewohner und Beschäftigten in Jevers Innenstadt ist das bald nicht mehr möglich. Die Schließung des Lebensmittelmarkts hinterlässt eine Lücke, die vor allem für ältere Mitbürger zum Problem wird.
Doch zum Glück geht es nur um eine Übergangsphase. Während andere Innenstädte ausbluten, wird in Jever im St.-Annen-Quartier ein Edeka-Markt gebaut, der dann auch die Nahversorgung der Bevölkerung wieder sicher stellt.
Unterdessen wird es Netto schwer haben, einen neuen Standort jenseits der Innenstadt zu finden. Die Stadt schiebt solchen Plänen konsequent einen Riegel vor. Sie schützt damit den Einzelhandel in der Innenstadt – und sorgt dafür, dass Geschäfte wie der neue Verbrauchermarkt im St.-Annen-Quartier für Investoren und Betreiber attraktiv bleiben.
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