Schortens Mit einem großen Meißelaufsatz hämmert Baggerführer Dieter Reiners sein Arbeitsgerät in den Beton. Es rattert, lärmt und staubt. 50 Zentimeter dicke Wände und eine ebenso starke Betondecke werden nach und nach zu Bauschutt. Ein Weltkriegsrelikt, ein an der Ecke Bahnhofstraße und tom-Brok-Straße in Heidmühle vor etwa 75 Jahren ins Erdreich gebauter betonierter Deckungsgraben, verschwindet. Hier soll bald ein Einfamilienhaus stehen.
Das oberirdisch unbebaute Grundstück in dem schon älteren Wohngebiet hat der Jeveraner René Bruns gekauft, der mit seiner Familie bald nach Schortens zieht. Dass auf dem Grundstück eine Art Bunker verborgen ist, in dem 50 Menschen Schutz finden konnten, war lange bekannt.
Keine Chance für Erhalt
Ursprünglich hatte René Bruns auch vor, den betonierten Deckungsgraben zu erhalten. „Leider gab es keine Möglichkeit, den L-förmigen Schutzbau als Keller in den Neubau zu integrieren.“ Da es für den Betonbau keine Denkmalschutzauflagen gibt, muss nun der Bagger ran.
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Mit Interesse verfolgt und dokumentiert Holger Raddatz, Bunkerforscher aus Wilhelmshaven, die Arbeiten. Und er erläutert, dass es sich bei diesem Schutzbau nicht um einen Bunker handelt, denn dafür sind unter anderem Wände und Decke nicht stark genug. Ein Bunker mit einer Deckenstärke von mindestens 1,40 Metern sollte einem Bombentreffer standhalten. Der Schutzbau an der tom-Brok-Straße diente den damals dort lebenden Menschen allenfalls als Splitter- und Trümmerschutz. „Bei einem Bombentreffer wäre dieser Bau sicher sofort zerstört worden“, sagt Raddatz.
Bauten dieser Art gibt es nach Angaben des Wilhelmshavener Bunkerforschers in Schortens noch einige. Zehn sind ihm bekannt. Auch in Jever soll es noch welche geben, unter anderem in der Blumenstraße und in Moorwarfen.
Neugier geweckt
Ungewöhnlich sei, dass ganz in der Nähe des jetzt freigelegten Schutzbaus an der Bahnhofstraße sowie an der tom-Brok-Straße noch zwei weitere dieser betonierten Deckungsgraben angelegt worden seien. Und tatsächlich meldete sich Bruns’ aufmerksam gewordener künftiger Nachbar von gegenüber: Auch in seinem Garten soll sich unter einem Erdwall solch ein Schutzbau befinden. Den Zugang habe er allerdings bis heute nicht gefunden. Raddatz’ Neugier ist geweckt.
Solche Weltkriegs-Relikte gibt es Raddatz zufolge außerdem in Schortens an der Menkestraße in Höhe Diekenweg, an der Beethovenstraße, am Klosterweg in Höhe Kreuzweg, am Schulbuschweg und am Ortsausgang Richtung Dykhausen. Der diene Fledermäusen als Quartier. Ein weiterer Lutzschutzraum befinde sich am Birkenweg und werde wohl ebenfalls in Kürze abgerissen, weil er einem Bauvorhaben im Weg steht. „Schade“, meint Bruns, „denn letztlich verschwindet wieder ein Stück Geschichte.“