Westerstede Im bundesweit geltenden, sogenannten Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen sind von Botulismus und Cholera bis hin zu Tollwut und Varizellen insgesamt 15 meldepflichtige Krankheiten namentlich aufgeführt, bei deren Verdacht oder akutem Auftreten umgehend eine Meldung des behandelnden Arztes beim nächstliegenden Gesundheitsamt erfolgen muss.
Obligatorisch ist die Meldung durch den Arzt auch in mehreren anderen Fällen – unter anderem dann, wenn im gleichen sozialen Umfeld mehrere Personen an einer Gastroenterititis erkrankt sind oder ein Betroffener mit dieser Erkrankung im Lebensmittelbereich arbeitet. Das Gleiche gilt bei einem Impfschaden und einer Biss- oder Kratzwunde, die von einem an Tollwut erkrankten Tier verursacht wurde.
Darüber hinaus gibt es auch für Untersuchungslabore klare Melderegeln. Wenn dort in einer Probe einer von 47 verschiedenen Erregern nachgewiesen wird, muss das Gesundheitsamt ebenfalls über den Namen und den Aufenthaltsort der betroffenen Person informiert werden. Nach einer Arzt- oder Labormeldung nimmt das zuständige Gesundheitsamt in der Regel selbst telefonisch oder schriftlich Kontakt mit dem Betroffenen auf und leitet sofort verschiedene Maßnahmen in die Wege.
Kontaktpersonen finden
Um eine Weiterverbreitung des jeweiligen Krankheitserregers zu verhindern, muss der Erkrankte durch einen Mitarbeiter des Gesundheitsamtes oder in enger Absprache auch durch den Hausarzt zunächst nach möglichen Ansteckungsquellen und Kontaktpersonen befragt werden. Bei der anschließenden Behandlung muss der Patient – falls nötig auch gegen seinen Willen – so lange isoliert werden, bis keine Ansteckungsgefahr mehr besteht. Für den Fall, dass sich der Betroffene den Maßnahmen entzieht, kann das Gesundheitsamt zum Schutz der Allgemeinheit Zwangsmaßnahmen verfügen – bis hin zur Einweisung in eine darauf spezialisierte geschlossene Einrichtung.
Wichtig ist für das Gesundheitsamt stets eine möglichst lückenlose Erfassung der Kontaktpersonen, die mit dem Krankheitserreger infiziert sein könnten. Ziel ist einerseits, die Kontaktpersonen selbst vor dem Ausbrechen der Erkrankung zu schützen. Zugleich könne man mit unterschiedlichen Präventionsmaßnahmen der Weiterverbreitung krankmachender Erreger entgegenwirken.
Die dafür notwendigen Maßnahmen sind mitunter sehr aufwendig und arbeitsintensiv, berichtet Dr. Elmar Vogelsang, Leiter des Kreisgesundheitsamts Ammerland in Westerstede: „Zum Beispiel wurde uns vor einigen Jahren der Fall einer an Meningitis erkrankten jungen Frau gemeldet, die zuvor in einer Diskothek an einem Kusswettbewerb teilgenommen hatte. Wir mussten dann binnen kurzer Zeit alle Teilnehmer ausfindig machen und mit einem schützenden Medikament versorgen.“
Wichtiges Instrument
Die im Infektionsschutzgesetz (IfSG) festgelegten Regelungen haben entscheidende Bedeutung für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung, schreibt das Niedersächsische Landesgesundheitsamt. Demnach ist das seit dem Jahr 2001 im IfSG festgeschriebene gesetzliche Meldewesen „das wichtigste Instrument der Surveillance (Überwachung und Beobachtung) von Infektionskrankheiten.“
Das Ganze funktioniert in der Praxis ganz einfach, betont Dr. Vogelsang: „Der Hausarzt oder ein Labor können meldepflichtige Erkrankungen oder Erreger in einem eigens dafür entwickelten Formblatt erfassen und an das zuständige Gesundheitsamt weiterleiten, das dann umgehend die erforderlichen Maßnahmen einleiten wird.“
Das örtliche Gesundheitsamt leite die gemeldeten Fälle an das Landesgesundheitsamt weiter, was zusätzliche Sicherheit bringt. Dieses System ermögliche unter anderem jederzeit einen überregionalen Überblick über erste Anzeichen für eine Epidemie. Wie sinnvoll das für den Gesundheitsschutz ist, sei in Deutschland zuletzt vor einigen Jahren bei der Häufung von Ehec-Infektionen klar geworden. Seinerzeit habe das Meldesystem dazu beigetragen, dass die Infektionsquelle erkannt und abgestellt werden konnte.
Ein Großteilder meldepflichtigen Infektionskrankheiten ist hierzulande unbekannt oder ausgerottet. Dank des flächendeckend installierten Impfsystems kommen früher noch verbreitete Erkrankungen wie Polio oder Diphtherie in Deutschland praktisch nicht mehr vor. Auch bei einer Einschleppung durch einen aus einem fernen Land kommenden Erkrankten sei die Gefahr einer Ansteckung bei einem funktionierenden Impfschutz sehr gering, erklärt Dr. Elmar Vogelsang: „Die in Deutschland seit vielen Jahren ab dem Kleinkindalter üblichen Standardimpfungen bieten einen sicheren Schutz.“
Der Impfstatuts ist bundesweit vor allem bei jüngeren Menschen fast immer so gut, dass ein ausreichender Schutz vor einer Vielzahl von Erkrankungen besteht. Bei den Schuleingangsuntersuchungen der letzten Jahre hatten rund 95 Prozent der Kinder einen ausreichenden Impfschutz. Frauen und Männer ab 20 sollten ihren Impfschutz regelmäßig vom Hausarzt überprüfen lassen, empfiehlt Dr. Vogelsang: „So kann man einen optimalen Schutz sicherstellen.“