Hannover Beim Blick in die Akten des Landtagsausschusses zu islamistischen Gefahren in Niedersachsen wird immer deutlicher: Es gibt offenbar eine regelrechte Terrorzelle in Hannover mit mindestens vier Mitgliedern. Die Jung-Islamisten radikalisieren sich nicht nur in der gleichen salafistischen Moschee in der Kornstraße in Hannover-Nord, sondern sie sind auch Freunde: Sie chatten miteinander, machen teils gemeinsam Kampfsport, verteilen lange Zeit Korane in der Innenstadt, suchen Kontakt zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) – und begehen Attentate.
Der Hochgefährliche
Der Flüchtling aus Afghanistan, Ahmed Feredaws A. (24), gilt als der Gefährlichste. Angeblich aus seiner Heimat 2011 vor den Taliban geflohen, kündigt er von Deutschland aus einen Selbstmordanschlag in Kabul an. Ahmed Feredaws A. besitzt noch aus seiner Zeit in Afghanistan Erfahrungen mit Sprengstoff. Er scheitert mit einem Asylantrag, muss eigentlich seit dem Jahr 2012 ausreisen. Doch die Behörden entziehen ihm alle Ausweise, um ein Attentat in Afghanistan zu verhindern, und verhängen Meldeauflagen. Er muss sich dreimal in der Woche bei der Polizei in Hannover melden. Beim Besuch des US-Präsidenten Barack Obama in der Landeshauptstadt am 24./25. April dieses Jahres stand Ahmed Feredaws A. unter ständiger Beobachtung der Polizei. Am Tag der Anschläge von Brüssel überprüften ihn Sicherheitsbehörden. Sieben Monate lang wird der Mann, der als „Gefährder“ und „Akteur“ in einem „Behördenzeugnis“ geführt wird, zudem observiert. Seite Juli ist er jedoch spurlos verschwunden. Innenminister Boris Pistorius (SPD) teilte am Mittwoch mit, dass die Behörden mit Hochdruck fahnden. Mehr könne er aus ermittlungstaktischen Gründen nicht zu dem Fall sagen.
Der Verdächtige
Schon lange als „Gefährder“ und „Akteur“ eingestuft, steht Mohammed Hassan K. (19) im Fokus des Generalbundesanwalts, der sich um potenzielle Attentäter kümmert. Zwei Ermittlungsverfahren gehen auf sein Konto: Nach der Absage des Fußball-Länderspiels im November 2015 rückten Spezialeinheiten an, um seine Wohnung in Hannover-Misburg zu untersuchen. Von Mohammed Hassan K. existiert ein Video-Clip aus dem geräumten Stadion, in dem er mit Ordnerweste den IS lobt. Zugleich läuft gegen Mohammed Hassan K. eine Anklage vor dem Oberlandesgericht in Celle wegen „Mitwisserschaft“. Die Schülerin Safia S. hatte ihm kurz vor ihrer Attacke auf einen Polizisten im Hauptbahnhof Hannover eine „Märtyrertat“ angekündigt. Mohammed Hassan K. ließ sie gewähren. In den Polizeiakten taucht er im Zusammenhang mit Rauschgift, Geldwäsche, Waffeneinsatz und Körperverletzung auf, aber auch als Opfer sexuellen Missbrauchs im Jahr 2005. Auch bei Mohammed Hassan K. rückte die Polizei nach dem Brüssel-Attentat an.
Die Messerstecherin
In der Justizvollzugsanstalt Vechta wartet die mittlerweile 16-jährige Safia S. auf ihren Prozess vor dem Oberlandesgericht Celle. Der Generalbundesanwalt hat Anklage wegen Mordversuchs erhoben nach der blutigen Messerattacke auf einen 34-jährigen Bundespolizisten am 26. Februar dieses Jahres im Hauptbahnhof Hannover. Vergeblich hatten Lehrer im Vorfeld vor der Radikalisierung des Mädchens gewarnt, das kurz zuvor in die Türkei ausgereist war, um sich dem IS anzuschließen. Das gelang ihr nicht. Auch sie war als „Gefährderin“ eingestuft. Auffällig wurde sie zuvor nur durch einen Ladendiebstahl.
Der Brandsatz-werfer
Safias Bruder Saleh S. (19), der sich ebenfalls dem IS anschließen wollte, scheiterte nur knapp am 5. Februar dieses Jahres mit einem Anschlag auf Passanten vor dem Hauptbahnhof Hannover, als er von einem Parkdeck Molotow-Cocktails warf. Die Brandsätze entzündeten sich nur nicht, weil Saleh S. ausschließlich Diesel benutzte. Saleh S. fiel der Polizei zuvor wegen Messerstecherei, versuchten Totschlags, Körperverletzung, Fahrens ohne Führerschein und Verstoßes gegen das Waffengesetz auf. Er sitzt in der geschlossenen Psychiatrie von Moringen.