Berlin Härtere Strafen bei Hass, Hetze und Stalking gegen Politiker – die Kommunen fordern nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke Konsequenzen und schlagen Alarm. „Wir müssen öffentliche Entscheidungsträger besser schützen“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes am Mittwoch im Gespräch mit unserer Zeitung. Angesichts einer Welle von Angriffen auf Kommunalpolitiker forderte er, das sogenannte Politiker-Stalking unter Strafe zu stellen und Beleidigungen in sozialen Netzwerken gegen öffentliche Entscheidungsträger stärker zu ahnden.
Auch der Deutsche Städtetag ist alarmiert, beklagt eine steigende Zahl von Drohungen und Angriffen auf Politiker in den Kommunen. „Leider sind gerade Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in den letzten Jahren stärker Drohungen und Anfeindungen ausgesetzt“, erklärte Städtetagspräsident Burkhardt Jung, der Oberbürgermeister von Leipzig ist.
Eine aktuelle bundesweite Befragung der Bürgermeister des Deutschen Städte- und Gemeindebundes zeige „einen gefährlichen Trend“, berichtet das Verbandsmagazin „Kommunal“. Bundesweit hätten „weit mehr als die Hälfte aller Kommunen Erfahrungen – häufig auch sehr persönlicher Art“ mit Rechtsextremen und Reichsbürgern. „Die Zahl der Angriffe auf Bürgermeister, Mitarbeiter der Verwaltung und Stadt- und Gemeinderäte steigt“, heißt es dort.
Fast jeder zweite Bürgermeister in Deutschland habe wegen seiner Flüchtlingspolitik schon Beschimpfungen oder Beleidigungen erdulden müssen, ergab bereits eine Umfrage des Städte- und Gemeindebundes aus dem Jahr 2016. Dieser Trend scheine sich jetzt noch zu verstärken. Die Angriffe reichten von Verunglimpfungen in den sozialen Netzwerken über Schmierereien an Hauswänden bis hin zu körperlicher Gewalt.
Im Mordfall Lübcke hat Andrea Lindholz, Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, eine baldige Sondersitzung des Ausschusses mit Sicherheitsbehörden und Bundesanwaltschaft in Aussicht gestellt – allerdings erst in der kommenden Woche. „Der Generalbundesanwalt hat ja gerade erst die Ermittlungen übernommen und der Tatverdächtige schweigt bisher. Für eine seriöse Aufklärung brauchen die Behörden genügend Zeit, um einen belastbaren Ermittlungsstand aufzubauen. Wir brauchen Fakten und keine Spekulationen. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit und Sacharbeit vor Öffentlichkeitsarbeit“, sagte die CSU-Politikerin unserer Zeitung. Schon an diesem Mittwoch wird das Attentat Thema im hessischen Landtag sein. Unterdessen prüft die ermittelnde Bundesanwaltschaft nach Medienberichten Hinweise auf weitere Täter.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte in der Bundespressekonferenz am Dienstag eine Verrohung der Gesellschaft beklagt. Lindholz stimmte ihrem Parteikollegen zu: „Dieser Appell richtet sich an die gesamte Gesellschaft. Jeder Demokrat kann mithelfen. Politiker, Medien, Youtuber, jeder Einzelne ist aufgerufen auf seine Wortwahl zu achten. Demokratie lebt von offenen und fairen Debatten. Bei aller Meinungsverschiedenheit darf man nie den Respekt voreinander verlieren. Wer nur darauf aus ist, Andersdenkende zu zerstören, der debattiert nicht, sondern spaltet. Diese Mahnung geht an uns alle.“
Vor allem in den Sozialen Netzwerken im Internet gibt es immer mehr Hass und Hetze, auch gegen Politiker, hat Lindholz beobachtet. Sie sieht in dieser verbalen Radikalisierung auch den Nährboden für die rechte Gewalt. „Selbst die Vereinten Nationen warnen vor der Bedrohung für unsere Demokratie durch diese Hetze und Hass, die sich im digitalen Zeitalter rasend schnell verbreiten“, so die CSU-Politikerin weiter. „Darauf sollten wir als Demokraten gemeinsame Antworten geben. Der Rechtsstaat muss jede Form von Extremismus – egal ob links, rechts oder islamistisch motiviert – gleichermaßen bekämpfen.“