Paris Die aktuelle Ausgabe des französischen Satireblatts „Charlie Hebdo“ ist vergriffen, Originale werden in Online-Auktionen versteigert und erzielen Preise bis zu 1000 Euro. Die Pariser Kult-Zeitschrift wird auch nach der blutigen Katastrophe in den Räumen der Redaktion wieder erscheinen, sogar in einer Auflage von einer Million Exemplaren – ein Lebenszeichen nach dem Terrorakt.
Allein acht Journalisten des Magazins starben im Kugelhagel von kaltblütigen Terroristen – unter den Opfern auch Redaktionsleiter Stéphane Charbonnier (47) alias Charb. „Ich habe alle meine Freunde verloren“, sagt Philippe Val, der frühere Direktor von „Charlie Hebdo“. Er ringt im Fernsehen um Fassung.
Schwerster Schlag
Es sieht danach aus, als ob junge Islamisten Frankreich den schwersten Schlag seit mehreren Jahrzehnten versetzt hätten. Die Brüder Said und Chérif Kouachi sollen am Mittwoch die Redaktion gestürmt und mit einer Kalaschnikow um sich geschossen haben.
Die Horrortat stürzt das ohnehin angeschlagene Land in eine tiefe Krise. Viele Franzosen schauen alles andere als freudig ins neue Jahr. Die Wirtschaft steckt fest im Sumpf, Reformen sind umstritten, und der sozialistische Präsident François Hollande ist so unpopulär wie kein Staatschef vor ihm.
Hinzu kommt: Die Integration von Ausländern ist ein heißes Eisen. Das Verhältnis zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen ist so angespannt wie lange nicht. In Frankreich leben fünf Millionen Muslime, viele von ihnen in den vernachlässigten Vorstädten. Angeblich haben sich etwa 1000 junge Franzosen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen.
Politische Beobachter befürchten nun, dass das Attentat die Spaltung im Land vertieft und die Ressentiments gegenüber Muslimen stärker werden. Der in Deutschland und Frankreich bekannte Grüne Daniel Cohn-Bendit erklärt bereits: „Das hat mit dem Islam nichts zu tun.“ Er wertet es positiv, dass sich auch muslimische Verbände in Frankreich von der Tat distanziert hätten. Trotz allem könnte die Tat dem rechtsextremen Front National von Marine Le Pen weiter Auftrieb geben. Dessen Chefin hat erneut ein Referendum über die Todesstrafe in die Debatte gebracht. Sie wolle eine Abstimmung über die Wiedereinführung der Todesstrafe vorschlagen, sollte sie 2017 zur Staatspräsidentin gewählt werden, bekräftigte Le Pen gegenüber dem TV-Sender France 2. Hollande will gegensteuern. Er fordert die Franzosen auf, angesichts des Terrors zusammenzustehen.
Kritik an „Charlie Hebdo“
Die großen Medienhäuser wollen alles tun, damit „Charlie Hebdo“ weiterleben kann. Mehrere Zeitungen drucken am Donnerstag eine fast schwarze Seite Eins. Aber es gibt trotz aller Empörung auch Kritik an „Charlie Hebdo“. In der britischen „Financial Times“ schreibt Chefredakteur Tony Barber über die „Unverantwortlichkeit“ des Satireblatts. Nach Meinung der US-amerikanischen Lobbyorganisation „Catholic League“ ist der Chefredakteur Charbonnier nicht schuldlos an seiner Ermordung. „Wäre er nicht so narzisstisch gewesen, könnte er noch leben“, so der Vorsitzende der rechtskonservativen „Catholic League“, Bill Donohue in New York. Zwar müsse die Bluttat vom Mittwoch „unzweideutig verurteilt werden“. Muslime hätten jedoch auch „Grund, verärgert zu sein“, schreibt Donohue.
Das Magazin wollte sich nie den Mund verbieten lassen. Unzählige Prozesse hatte das Blatt etwa mit der katholischen Kirche ausgetragen. 2006 druckte „Charlie Hebdo“ die hochumstrittenen dänischen Mohammed-Karikaturen und legte selbst nach.
Redaktionsleiter Charb sagte einmal im Interview: „Ich ziehe es vor, mit erhobenem Haupt zu sterben, als auf den Knien zu leben.“