Bremen /Hannover Einen Monat lang wurde gekämpft auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsens, dann ging vor 75 Jahren im Nordwesten der Zweite Weltkrieg zu Ende. Am 5. Mai 1945 streckte die Wehrmacht in Norddeutschland und den besetzten Gebieten von den Niederlanden bis Skandinavien die Waffen vor den Alliierten. Drei Tage später am 8. Mai kapitulierte das Deutsche Reich endgültig. Die Terrorherrschaft des Nationalsozialismus war nach zwölf Jahren beendet. Städte und Dörfer lagen in Trümmern.

„Bleib übrig!“ sei in den letzten Kriegswochen ein gebräuchlicher Abschiedsgruß gewesen, sagte Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten. „Das heißt, man ging davon aus, dass man nicht übrig bleibt.“ Als die Waffen schwiegen, seien die Menschen erleichtert gewesen und zugleich voller Furcht. „Es war eine Befreiung wider Willen und eine Befreiung, die man nicht als eine solche wahrgenommen hat“, sagte Wagner.
Sinnlose Aktionen
Der Luftkrieg hatte die norddeutschen Städte schon vorher getroffen. In Hannover erinnert die Ruine der Aegidienkirche an die verheerenden Luftangriffe von 1943, in Hamburg steht als Mahnmal die Ruine von St. Nikolai. Vom Landkrieg blieb der Nordwesten bis in die letzten Kriegswochen verschont. Er war „eine letzte, noch relativ intakte Machtbasis des NS-Regimes“, wie der Historiker Ian Kershaw schreibt.
Ab Anfang April 1945 rückten die alliierten Truppen aus dem Ruhrgebiet kommend auf niedersächsisches Gebiet vor. Osnabrück wurde am 4. April kampflos an die Briten übergeben, die weiter nach Nordosten marschierten. Im Süden bewegten sich US-Truppen, die am 8. April Göttingen, am 10. April Hannover und am 12. April Braunschweig eroberten. Im Westen Richtung Emsland rückten Kanadier vor und polnische Soldaten, die der Exilregierung in London unterstanden.
Vielerorts zwangen Nazi-Funktionäre Soldaten und Zivilisten zu sinnlosen Abwehraktionen. Um Bremen wurde gekämpft, die Weserbrücken wurden gesprengt, bevor am 26./27. April britische Soldaten einzogen. Hamburg wurde den Briten am 3. Mai kampflos übergeben.
Chance auf Wiederaufbau
Noch im Untergang beging das Nazi-Regime auf niedersächsischem Boden zahllose Verbrechen. Gefangene der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) wurden im April auf Friedhöfen in Hannover und Hildesheim ermordet. Die SS löste die Außenstellen von Konzentrationslagern auf und trieb die Gefangenen in Todesmärschen nach Bergen-Belsen oder Richtung Ostsee. Entkräftete wurden erschossen oder starben am Wegesrand.
Am 15. April befreiten die Briten das KZ Bergen-Belsen. Etwa 40 000 Menschen seien dort 1945 gestorben, davon 14 000 Insassen noch nach der Befreiung an Seuchen und Erschöpfung, sagt Wagner.
Der britische Generalfeldmarschall Bernard L. Montgomery hatte sein Hauptquartier bei Lüneburg aufgeschlagen, sagte der Lokalhistoriker Uwe Plath. Dorthin entsandte Admiral Karl Dönitz, den Adolf Hitler vor seinem Selbstmord zum Reichspräsidenten ernannt hatte, eine Militärdelegation. Am 4. Mai 1945 erklärten die Deutschen die Teilkapitulation für Nordwesteuropa, die am nächsten Morgen in Kraft trat. „Das Geschehen von Lüneburg ist für Norddeutschland von großer Bedeutung“, sagt Plath.
Das Ende des Nationalsozialismus eröffnete zugleich die Chance auf einen Neubeginn. Schon am 6. Mai gründete der SPD-Politiker Kurt Schumacher in Hannover ein Büro für den Wiederaufbau der Partei. 1946 wurden auf Druck der Briten Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe zum Land Niedersachsen vereint.