BERLIN Kaum eine Erfindung hat den Alltag der Menschen derart verändert wie das Auto – was dessen Urväter nicht einmal zu träumen wagten. Am Anfang hatten die Zeitgenossen nur Hohn und Spott übrig für das erste moderne Automobil: ein Dreirad mit einem stinkenden Einzylindermotor. Doch mit dem Motorwagen von Carl Benz mit der Reichspatentnummer 37 435, angemeldet am 29. Januar 1886, begann ein unaufhörlicher Siegeszug. Bis heute sind Schätzungen zufolge weltweit bis zu 2 Milliarden Autos gebaut worden.
Zu Beginn jedoch hatten es die Autopioniere Carl Benz und Gottlieb Daimler schwer. Der Motorwagen von Benz stand nutzlos herum. Erst als sich seine Frau Bertha 1888 die Motorkutsche schnappte und von Mannheim nach Pforzheim fuhr, die erste automobile Langstreckenfahrt der Geschichte, schwanden die Vorbehalte: ein erster Meilenstein in der Entwicklung des Automobils.
Fließband führt zu Erfolg
Die Erfolgsstory begann spätestens, als Henry Ford das Auto mit der Fließbandproduktion zur Massenware machte. Das hatte tiefgreifende Folgen: „Das Automobil war eine Epocheninnovation und hat die westliche Zivilisation über 100 Jahre wesentlich bestimmt“, meint Autoexperte Christoph Stürmer vom Beratungsunternehmen IHS Global Insight.
Das Auto machte die Menschen flexibel und galt lange Zeit als Inbegriff persönlicher Freiheit und des Wohlstands – der VW Käfer als Symbol des Wirtschaftswunders, der Deutschen liebstes Kind. „Ohne Auto keine individuelle Mobilität. Ohne individuelle Mobilität kein Wirtschaftswachstum“, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen. Alle Länder mit hoch entwickelter Wirtschaft seien Länder mit hoher Fahrzeugdichte.
Die Bedeutung der Autoindustrie ist enorm: Nicht nur in Deutschland ist sie eine Schlüsselbranche. Mehr als 700 000 Menschen arbeiten hierzulande bei den Autobauern und den Zulieferern. Rechne man die indirekt Beschäftigten mit hinzu, hänge jeder siebte Arbeitsplatz am Automobil, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) betont.
Notwendige Voraussetzung
„Für hoch entwickelte, arbeitsteilige moderne Gesellschaften ist das Automobil eine notwendige Voraussetzung für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung“, sagt VDA-Präsident Matthias Wissmann. Doch es gibt Schattenseiten: Autos gelten trotz aller Verbesserungen als ein Hauptverursacher des „Klima-Killers“ Kohlendioxid.
Die Autoindustrie jedenfalls steht zum 125. Geburtstag des Autos vor einem Umbruch, das Elektrozeitalter steht bevor. Und das neue Kraftzentrum des weltweiten Absatzes liegt längst in Asien.
Wird Deutschlands Autoindustrie dem gewachsen sein? Die Branche besitze große Innovationskraft, aber es gebe keine Garantien für ein Überleben, urteilt Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Und Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland warnt: „Die Gefahr ist groß, dass die deutschen Hersteller sich auf dem Erfolg ausruhen, zu tief auf ihren Geldsäcken schlafen und notwendige Entwicklungen verpassen.“