Karlsruhe Haben Opfer von terroristischen Verbrechen einen Anspruch darauf, dass diese Taten in Kunstwerken wie Filmen oder Romanen authentisch geschildert werden? Mit dieser Frage mussten sich Gerichte auseinandersetzen, als der Spielfilm „Der Baader Meinhof Komplex“ im Jahre 2008 in die Kinos kam. Der Film hat die Geschichte der RAF zum Thema. Regie führte Uli Edel, Bernd Eichinger hatte den Film für Constantin Film produziert. In den Hauptrollen spielen Moritz Bleibtreu (Andreas Baader), Martina Gedeck (Ulrike Meinhof) und Johanna Wokalek (Gudrun Ensslin). Der Film schildert unter anderem die gescheiterte Entführung und Ermordung des Bankiers Jürgen Ponto. Dagegen klagte Ignes Ponto, die Witwe des 1977 ermordeten Dresdner-Bank-Vorstandschefs Jürgen Ponto.
Ignes Ponto wandte sich gegen die Darstellung des Mordes an ihrem Mann. Die Darstellung sei in mehreren Punkten falsch, unter anderem wird in dem Film gezeigt, wie Ignes Ponto auf der Terrasse des Hauses Tee trinkt (tatsächlich telefonierte sie in einem angrenzenden Raum mit ihrer Schwester, sie hatte die Tat mitansehen müssen), der im Film als Butler dargestellte Mann sei lediglich der Fahrer gewesen, auch sei die Filmhandlung durch laute Schüsse effekthaschend dargestellt. Tatsächlich hatten die Täter Schalldämpfer auf ihre Pistolen montiert. Der Antrag, die Sequenz aus dem Film zu entfernen, wird abgelehnt. Das Landgericht Köln weist den Antrag mit Hinweis auf die Kunstfreiheit zurück. Es handele sich um einen Spielfilm, der auf historischen Tatsachen beruhe, die freilich dramatisiert seien. Ignes Ponto gibt darauf hin das Bundesverdienstkreuz an den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler zurück, dass sie 1988 erhalten hat.
Auch die Terroristin Brigitte Mohnhaupt klagt gegen den Film. Er enthält eine Szene, in der sie kurz nach ihrer Haftentlassung Peter-Jürgen Boock trifft. (Im Februar 1977 wurde Mohnhaupt nach mehrjähriger Haftstrafe entlassen, sie hatte dort Kontakt mit den RAF-Terroristen der ersten Generation Baader, Raspe, Ensslin und Meinhof. Nun sollte sie in Freiheit die „big raushole“, die Freipressung der RAF-Terroristen organisieren.) Nadja Uhl, Darstellerin der Figur Brigitte Mohnhaupt, sagt: „Fast fünf Jahre Knast.“ Und Vincenz Kiefer, der Boock darstellt, ergänzt: Ist ’ne lange Zeit.“ Uhl/Mohnhaupt: „So lange habe ich mit keinem Mann gefickt.“ Die nächste Szene zeigt sie im Bett. Aber das Oberlandesgericht Hamburg bestätigt die Abweisung der Prozesskostenhilfe und verweist auf das hohe Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit an den internen Strukturen der RAF sowie die Freiheit der Kunst. Der Anspruch auf Authentizität muss nicht bedeuten, dass alle Einzelheiten stimmen müssen.