OLDENBURG - „Die Motivation der Rebellen ist fragwürdig.“ Das sagt Dr. Thomas O. Jenisch aus Oldenburg: „Ich sehe dort keine edlen Beweggründe. Die Umstürzler wollen nur näher an den Futtertopf heran.“ Gemeint sind damit die Ölfelder.
Seit einem Jahr hält sich der 48-Jährige regelmäßig in der Republik Tschad auf. Der Wirtschaftsgeograf arbeitet als entwicklungspolitischer Berater und Gutachter für ein Projekt, das Konflikte zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern schlichtet. Am vergangenen Donnerstag nutzte Jenisch einen der letzten Linienflüge, um die Hauptstadt N’Djamena zu verlassen: „Das war ein beruhigendes Gefühl.“
Den Rebellengruppen, federführend die UFDD, UFDD-F und die RFC, gehe es nicht darum, eine Kehrtwende in der Politik des Landes durch den Sturz des Präsidenten Idriss Déby zu vollziehen, meint Jenisch. Die RFC werde von Timan Erdimi, einem Neffen Débys, und seinem Zwillingsbruder Tom geleitet, der früher Direktor der staatlichen Erdölfirma war. Mahamat Nouri, Chef der UFDD, hätte unter Präsident Déby wichtige militärische Posten innegehabt. 2006 habe er die Rebellengruppe im Sudan gegründet. Viele von den schätzungsweise insgesamt 5000 Rebellen seien Kindersoldaten.
„Es geht um Macht. Für mich liegt auf der Hand, dass die Rebellenführer an das Geld aus dem Erdöl wollen. So lange sich alle bereichern wollen, wird es in Tschad keinen Frieden geben.“
Die Leidtragenden: die Zivilbevölkerung. Die Republik Tschad sei eines der korruptesten und ärmsten Länder der Welt, weiß der Oldenburger: „Die Zukunft des Landes könnte viel besser aussehen. Tschad verfügt über gewaltige Erdölvorkommen von mindestens einer Milliarde Barrel im Süden.“ Von diesen Einnahmen komme nur ein äußerst geringer Teil bei den Menschen an.
Die medizinische Versorgung sei so gut wie nicht existent. Die Lebenserwartung liege bei knapp 44 Jahren. 200 von 1000 Kindern würden vor ihrem fünften Geburtstag sterben. „Flüchten konnten in den vergangenen Tagen auch nur die, die überhaupt dazu in der Lage waren.“
Als Dr. Thomas O. Jenisch am 13. Januar nach Tschad kam, konnte er von den Ereignissen die folgen würden, noch nichts ahnen. „Dann drangen Gerüchte von massiven Truppenbewegungen zu uns durch. Alle Hilfsorganisationen hätten von gestohlenen Fahrzeugen berichtet. Die Rebellen haben sich ihre Mobilität erklaut.“
Wie schnell auch Ausländer zwischen die Fronten geraten können, musste der Deutsche erfahren, als er mit seinem Fahrzeug mitten in eine Straßenschlägerei zwischen zwei ethnischen Gruppen mit rund 400 Beteiligten geriet. „Darunter waren viele Kinder, die mit Knüppeln aufeinander losgingen. Das war erschreckend.“