Im Nordwesten - In Verden an der Aller gibt es ein Rechenzentrum mit dem hübschen Namen „VIT“, Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung. Dort laufen seit dem 1. Juli 2014 sensible Daten aus niedersächsischen Ställen auf: Welches Arzneimittel wurde eingesetzt? Bei wie vielen Tieren? In welcher Dosierung? Wie häufig?
Bis zum 14. Januar 2015, so schreibt es das Arzneimittelgesetz vor, müssen Tierhalter erstmals den Antibiotika-Einsatz der vergangenen sechs Monate dokumentiert haben. Danach soll die Welt eine bessere werden – so plant es zumindest das niedersächsische Landwirtschaftsministerium.
Denn spätestens seit der Veröffentlichung der jüngsten Zahlen, wonach jährlich mehr als 30 000 Todesfälle auf Erreger zurückzuführen sind, gegen die kein Antibiotikum mehr hilft, herrscht weitgehend Einigkeit: So wie bisher soll es nicht weitergehen.
„Der Befund ist alarmierend!“, warnt etwa Prälat Peter Kossen, ständiger Vertreter des Bischöflichen Offizials in Vechta. Hans-Joachim Harms, Direktor der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, sagt: „Den Landwirten ist klar, dass man sich in Zukunft in mancherlei Hinsicht anders verhalten muss als früher.“
Werner Hilse, Präsident des Niedersächsischen Landvolks, räumt ein: „Das macht uns große Sorge.“ Auch Bernhard Krüsken, Geschäftsführer des Deutschen Bauernverbandes, beteuert: Die Landwirte nehmen die Problematik „sehr ernst“.
Jedoch wehrt sich Krüsken gegen den Vorwurf, die zunehmenden Resistenzen gegen Antibiotika seien allein Folge der intensiven Landwirtschaft: Nur fünf Prozent der in Kliniken nachgewiesenen multiresistenten Bakterien seien laut Robert-Koch-Instituts der Nutztierhaltung zuzuordnen. „Damit stammen 95 Prozent aus anderen Quellen.“
Auch Landvolk-Präsident Hilse ärgert sich über den „Pauschalverdacht gegen Landwirte“. Er fordert eine fachliche Diskussion darüber, wie sich Resistenzen vermeiden lassen. „Diese Tonnen-Diskussion ist Unsinn“, sagt er mit Blick auf angeblich großen Mengen von Antibiotika, die in der Tiermast eingesetzt würden. „Wir reden hier von drei Gramm pro Tier!“
Eckehard Niemann von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Niedersachsen verweist dagegen auf den Zusammenhang „zwischen Antibiotikaresistenzen einerseits und Betriebsgrößen und Haltungsform anderseits“. Der sei durch Studien des Bundesamts für Risikobewertung belegt. So habe man in 71,4 Prozent der Schweinemastbetriebe mit mehr als 5000 Tieren MRSA-Keime nachgewiesen, aber nur in 13 Prozent der Öko-Betriebe. Die Zahlen seien „eindeutig“, so Niemann.
Deshalb fordert Prälat Peter Kossen: „Es stellt sich die Frage, um welchen Preis hier Wirtschaftswachstum erkauft wird. Der Schutz des Lebens und die Bewahrung der Schöpfung müssen wieder in das Zentrum des Wirtschaftens rücken.“
Doch jetzt rücken erst einmal nüchterne Zahlen ins Zentrum des Interesses. Anfang des Jahres werden die Fachleute der Oldenburger Kontrollbehörde Laves anfangen, die Antibiotika-Datenbank auszuwerten. Und dann sollen sie mit den schwarzen Schafen daran arbeiten, dass die Welt eine bessere wird.