Frage: Herr Brandl, Hass und Gewalt gegen Kommunalpolitiker nehmen laut einer Umfrage Ihres Verbandes immer mehr zu. Wie dramatisch ist die Entwicklung?
Brandl: Laut aktuellen Erhebungen haben vier von zehn kommunalen Verwaltungen schon Erfahrungen mit Bedrohungen und Einschüchterungsversuchen und acht Prozent der Kommunen schon Erfahrungen mit Gewalt gegen Amtsträger oder Mitarbeiter gemacht. Die Entwicklung der vergangenen Jahre bezüglich einer Verrohung der Sprache und einer Gewaltbereitschaft ist durchaus dramatisch. Dafür sprechen auch die Angriffe auf Kommunalpolitiker wie Andreas Hollstein, Henriette Reker und Walter Lübcke.
Frage: Nach dem Mord an Walter Lübcke gibt es eine Debatte über Konsequenzen. Was muss aus Ihrer Sicht geschehen?
Brandl: Wir brauchen eine konsequente Verfolgung der Anzeigen durch die Polizei und Staatsanwaltschaften. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die sich für das Allgemeinwohl in herausgehobener Stellung einsetzen, weniger Schutz durch den Rechtsstaat erwarten dürfen, wenn es um Hass, Bedrohung und Einschüchterungsversuche geht. Das öffentliche Interesse muss bei solchen Bedrohungen regelmäßig bejaht werden. Es braucht darüber hinaus eine Evaluierung, ob die bestehenden Gesetze ausreichen, um den Schutz, gerade im digitalen Raum, zu gewährleisten, oder ob es Regelungslücken bei den Verpflichtungen für die Plattformbetreiber gibt, die geschlossen werden müssen. Notwendig ist eine bessere Vernetzung der Behörden, daher fordern wir in den Bundesländern zentrale Meldestellen, die solche Bedrohungen aufnehmen.
Frage: Angesichts dieser Welle von Drohungen und Angriffen – wird es da nicht immer schwieriger, Menschen zu finden, die sich in der Kommunalpolitik engagieren?
Brandl: Natürlich ist die Welle aus Drohungen und Angriffen nicht förderlich, um Personen für die Kommunalpolitik zu begeistern. Aktuell fehlen uns beispielsweise gerade in Bayern für die Kommunalwahlen etwa 100 ehrenamtliche Bürgermeisterkandidaten. Insbesondere diejenigen, die als ehrenamtliche Bürgermeister oder als Ratsmitglieder kandidieren, werden sich in Zukunft zweimal überlegen, ob sie sich selbst und auch ihre Familien diesen Bedrohungen aussetzen.