Oldenburg /Hannover Verena Rücker ist Vollblut-Ju-Jutsuka. Ihr Herz hängt an diesem Sport, den sie seit vielen Jahren betreibt. Und ab dem kommenden Jahr kann die gebürtige Delmenhorsterin, die für den PSV Oldenburg startet, ihrer Leidenschaft endlich mehr Zeit und so viel Energie widmen, wie sie sich das schon länger wünscht: Rücker wurde ins Sportförderprogramm der Bundeswehr aufgenommen.
„Das ist megacool, ich kann einfach trainieren und mich voll auf den Sport konzentrieren“, freut sich Rücker auf die bevorstehende Zeit. In den vergangenen Wochen hatte sie wegen ihres Jobs „nur noch zehn Stunden pro Woche“ trainieren können. Die 26-Jährige ist Krankenschwester, seit Januar wohnt sie in Hannover. „In der letzten Zeit war es furchtbar“, berichtet sie: „Ich habe sehr viele Stunden gearbeitet, viele Nachtdienste gehabt. Mein Job ist wirklich toll, aber mit Leistungssport kaum zu vereinbaren.“
Das ändert sich bald. Zunächst muss Rücker ab dem 2. Januar den Grundwehrdienst absolvieren, sechs Wochen lang. Eigentlich dauert diese Basisausbildung drei Monate. Für Athleten und Athletinnen der Sportfördergruppe, mit denen Rücker den Dienst zusammen leistet, gibt es eine verkürzte Ausbildung. Auch die Oldenburger Sprinterin und Olympia-Teilnehmerin von 2016, Ruth Spelmeyer, absolvierte diese jüngst.
In die Sportförderung der Bundeswehr zu kommen, ist allerdings gar nicht so leicht, meint Rücker – schon gar nicht für nicht-olympische Disziplinen wie Ju-Jutsu. Sie hatte ihren Bundestrainer schon einmal gefragt, doch der meinte, da komme man nicht so schnell hinein. Doch dann rückte Rücker in den A-Kader des Deutschen Ju-Jutsu-Verbandes und gewann bei der Weltmeisterschaft in Kolumbiens Hauptstadt Bogota die Bronzemedaille in der Disziplin Ne-Waza, dem Bodenkampf. Also fragte der Bundestrainer doch einmal an. Die Bundeswehr forderte noch eine Einschätzung des Coaches, und nachdem dieser versichert hatte, dass die Teilnahme an den World Games 2021 realistisch sei, hieß es drei Monate warten.
Und dann ging alles ganz schnell. Vergangene Woche ging’s zur Musterung, und Rücker musste sich eine Kaserne aussuchen. Sie wählte Berlin, da wohnt ihr Bundestrainer. Trainieren wird sie in der Kaserne aber nicht können: „Ich bin die einzige Ju-Jutsu-Kämpferin seit einigen Jahren – ich habe keinen Partner“, erzählt die 26-Jährige. Auch sei sie die erste Ne-Waza-Kämpferin in Deutschland, die ihren Sport bald „professionell“ betreibt. In der Kategorie „Fighting“ gibt es hingegen bereits mehrere.
Was genau Rücker erwartet, weiß sie noch gar nicht. „Aber es wird auf jeden Fall nicht nur kämpfen, sondern auch eine Menge Konditions- und Koordinationstraining sein“, erklärt sie. Das Fernziel ist die Qualifikation für die World Games 2021 in den USA. Die „Weltspiele“ sind eine Art Gegenstück zu den Olympischen Spielen für zuletzt 27 nicht-olympische Sportarten, die alle vier Jahre jeweils im Jahr nach den Olympischen Spielen stattfinden. Punkte für die Qualifikation kann Rücker ab dem 1. Januar 2019 sammeln.
Außerdem möchte sie – wie zuletzt auch – im Mai zur EM. Dazu möchte Rücker mehr kämpfen als sonst: „Auch größere internationale Sachen, die ich sonst nicht machen konnte“, betont sie. Als nächstes steht aber noch Ende November die WM in Malmö (Schweden) an. Dort würde Rücker am liebsten Bronze verteidigen – doch das wird sehr schwer. „Ich habe die Startliste gesehen – und es wird hart, die ist wirklich voll mit starken Leuten“, weiß die 26-Jährige, die sich hingegen noch gar nicht so stark fühlt, wie sie wollte: „Wegen der Arbeit konnte ich zuletzt nicht so viel trainieren wie ich ich es gerne getan hätte.“ Außerdem musste sie im Oktober zwei Wochen krank komplett pausieren. Doch die letzten Wochen will sie noch einmal nutzen und geht am Donnerstag ins Trainingslager: „Ich bin mitten in der Vorbereitung und versuche, alles aus mir herauszuholen. Ich hoffe, irgendwo in der Mitte zu landen, ein fünfter Platz wäre schön gut.“