CLOPPENBURG - Leopoldo Lipstein wurde erst nach drei Zugaben von der Bühne gelassen. Die Chemie zwischen Künstler und Publikum stimmte.
Von Klaus G. Werner
CLOPPENBURG - Oftmals hängt das Gelingen eines Konzertes von Kleinigkeiten ab. Stimmt das Ambiente? Springt der Funke über? Dies gilt vor allem für einen Soloabend, wie ihn die „Freunde der Kunst" am Sonnabend in der Stadthalle veranstaltet haben. Vermag der Künstler den Kontakt zum Publikum herzustellen?Im Halbrund um den Steinway-Flügel versammelt, erwartete das Auditorium den Solisten des Abends, den aus Argentinien stammenden Leopoldo Lipstein, der ein nicht ganz gewöhnliches Programm spielte. Er begann mit Wolfgang Amadeus Mozarts Variationen über „Ah! Vous dirai je, Maman" sehr klassisch und mit äußerst sensibler Musik. Von Anfang an gelang es Lipstein, die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen.
Konzentriert und mit leichtem Anschlag – manchmal zu leicht, denn es blieb der eine oder andere Ton weg – interpretierte er die Vielfalt der zwölf Variationen und scheute auch nicht vor agogischen Temposchwankungen zurück. Doch nichts wirkte übertrieben, alles blieb im stilsicheren Rahmen und ordnete sich organisch in die Musik ein.
Romantischer Musikgenuss war mit den Walzern op. 39 von Johannes Bratens angesagt. Wienerischen Charme darf man bei ihnen freilich nicht erwarten; die Walzer von Brahms kommen eher norddeutsch herb daher. Man hörte verträumte, klagende, dramatische Töne, dazwischen aber auch Ausflüge in die ungarisch-zigeunerische Musik. Lipstein spielte die 16 Charakterstücke fast wie ein durchkomponiertes Werk, ließ die Kontraste unmittelbar aufeinander prallen und steigerte dadurch ihre Wirkung. Lyrisch kantabel erklang der bekannte A-Dur-Walzer. Typisch für Brahms, dass er aber nicht mit diesem reinen Wohlklang in Dur aufhörte, sondern noch einen melancholischen D-Moll-Walzer ans Ende setzte.
Auf solche mehr oder weniger vertrauten Klänge folgte im zweiten Teil weniger Bekanntes, dafür umso Spannenderes. Eine brasilianisch gefärbte, sehr eigenwillig geprägte Musik nach Bach-schem Vorbild versteckte sich hinter dem Titel „.Bachianas Brasileiras" von Heitor Villa-Lobos. In vier Sätzen steigerte sich das Werk von „Preludio" über „Choral" und „Aria" zu einem virtuosen „Dansa" voller fingertechnischer Raffinessen. Leopoldo Lipstein spielte hochkonzentriert, brillant und lebte in dieser ungewöhnlichen, inspirierten Musik.
Mit dem Schlusswerk setzte er gleichsam noch die Spitze drauf. „El amor brujo" (Der Liebeszauber) hieß das Stück des spanischen Komponisten Manuel de Falla. Aus der gleichnamigen Ballettmusik hat der Komponist selbst fünf Sätze, allesamt mystisch-rituelle Tänze, zu einer virtuosen Klaviersuite zusammengestellt. Lipstein arbeitete die Steigerungsphasen, die drängende Spannung, die auskomponierte Kreisbewegung des Tanzes großartig heraus, blieb in den leisen Passagen intensiv am Spiel, um anschließend mit Vehemenz den nächsten Ausbruch zu gestalten. Kein Zweifel, diese Musik lag dem Pianisten im Blut und kam besonders wirkungsvoll rüber.