Varel - Er war eine Sensation für die Kinder am Vareler Hafen: der farbige Matrose Ben, der dort im November 1957 mit einem holländischen Schiff festmachte, um Muschelkalk zu laden. Ulrike Hinck hat das Foto, das ihr Vater Willy Hinck damals für den Gemeinnützigen aufgenommen hat, wiederentdeckt, und die NWZ hat sich auf die Suche nach den „Hafenbuttjern“ gemacht, die damals zum ersten Mal in ihrem Leben einen Schwarzen gesehen hatten.
„Ben, der schwarze Matrose, ist für einige Tage der Star für die muntere Hafenjugend, die nur selten ein ausländisches Schiff zu sehen bekommt“, hatte Willy Hinck am 29. November 1957 geschrieben. „Der schwarze Matrose war schon eine Attraktion“, erinnert sich Uta Jonen, die damals 13 Jahre alt war. Mit ihren Freunden Harm Wilken und Erwin Wilksen hat sie ihn jeden Tag auf dem Küstenmotorschiff „Barracuda“ besucht.
Das Schiff aus den Niederlanden war in den Vareler Hafen gekommen, um Muschelkalk von der Muschelmühle Wilhelm Poppe zu laden und nach Finnland zu bringen.
„Ben war sehr kinderfreundlich“, erinnert sich Harm Wilken auch nach fast 60 Jahren noch sehr gut an die Begegnung mit dem schwarzen Matrosen, „er war ein paar Tage hier und hat uns immer Bonbons und Kaugummis geschenkt und uns aus seiner Heimat Afrika erzählt“. Verständigen konnten sich die Kinder gut mit Ben. „Er sprach Deutsch-Holländisch“, weiß Erwin Wilksen, der damals neun Jahre alt war.
So entspannt der Matrose Ben den Kindern gegenüber war, so hart mussten er und die anderen arbeiten, um das Schiff mit 315 Tonnen Muschelschrot zu beladen. „Sechstausend Sack wurden vorschriftsmäßig im Laderaum gestaut“, schrieb Willy Hinck. Er berichtete, dass die deutsche Muschelschrot-Industrie am Vareler Hafen einen „bedeutsamen Schwerpunkt“ gehabt habe.
Zwei Muschelmühlen (Poppe und Meyer) gab es damals am Vareler Hafen, „300 Tonnen Muschelschrot wurden damals täglich am Vareler Hafen verarbeitet“, berichtet der Vareler Hafenexperte Gerold Lühken, „es wurde überwiegend für Hühnerfutter verwendet“.
„Es gab am Hafen riesige Muschelberge, auf denen wir gespielt haben“, berichtet Harm Wilken, „wir hatten eine ausgesprochen schöne Kindheit am Hafen“. „Unsere Eltern mussten uns suchen, wir waren immer unterwegs“, erinnert sich Uta Jonen.
Neben den beiden Muschelwerken gab es damals zwei Ziegeleien, eine Bootswerft und viele Fischereibetriebe. „Mehr als 30 kleine Fischereibetriebe gab es damals am Vareler Hafen“, weiß Gerold Lühken, „überwiegend Korbfischer“.
Uta Jonen erinnert sich noch an die Buden, in denen die Fischer ihren Fang verkauften – und an den Geruch des Beifangs, der an der Luft trocknete, um als Hühnerfutter verkauft zu werden.
Harm Wilken und Erwin Wilksen sind dem Hafen treu geblieben und leben noch dort, auch Uta Jonen wohnt in der Nähe des Hafens, mit dem sie viele schöne Kindheitserinnerungen verbindet.