Oldenburg Sie haben den Verstand verloren in dieser verrückten Welt: das Einhorn mit Wahnvorstellungen, der Brokkoli mit dem Drogenproblem und die anderen hysterisch-infantilen und psychoneurotischen Wesen, die in der Anstalt ihren Platz im Leben suchen.
Mit dem selbst entwickelten Stück „F60.9 nach ICD-10“ fügt das Platt’n Studio 14+ des Staatstheaters den an herausragenden Aufführungen nicht armen Jugendtheatertagen in Oldenburg eine weitere beeindruckende Inszenierung hinzu. Das einzige plattdeutsche Stück des Festivals wurde bei seiner Premiere am Freitagabend in der Exerzierhalle frenetisch gefeiert. Die Jugendlichen beeindruckten nicht als Exoten, sondern durch ihr intensives Spiel.
Der Code ICD ist die internationale statistische Klassifizierung von Krankheiten und gruppiert schwere Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen unter der Formel F60 ein. Das Spektrum reicht von der Depression bis zur Schizophrenie, von Wahnvorstellungen bis zur Exzentrik. Diese Daten und die „Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus“ der österreichischen Schriftstellerin Christine Lavant (1915– 1973) bilden die Grundlage für das Stück, das die Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren unter der Leitung von Dzenet Hodza und mit den Sprachpaten Karin Haan und Jürgen Müller von der August-Hinrichs-Bühne in knapp zehn Monaten erarbeitet haben. Filmausschnitte vor Beginn der Vorstellung zeigten Szenen aus der Probenarbeit.
Was ist eigentlich normal, und was ist verrückt? Wer bin ich, und wer sind die anderen? Warum bin ich nicht Brad Pitt, sondern so, wie ich bin? Diesen Fragen gehen die Jugendlichen nach und legen bei ihrem Spiel zwischen sechs altertümlichen Krankenhausbetten die vielen Facetten des Irrsinns frei. Sie streiten und prügeln sich und suchen doch beieinander Halt. Es spielen Louise Aschmann, Leonie Grote, Jan-Hendrik von Minden, Meret Voß, Sarah Büsing, Friederike Hellbusch, Meike Groeneveld, Johanna Behrens, Leonie Paula Hodza, Mauri Jakob Spies, Henrike Hokema und Clara Schirmacher.
Zu den stärksten Momenten der Inszenierung gehören die Tanzszenen, die berührend anrührend die Verletztheit der Seelen zum Ausdruck bringen. Im Chaos der Gefühle folgt auf eine furiose Kissenschlacht zu Walzerklängen der stille Abgang. Einfach klasse gemacht.