Oldenburg - Markus Müller ist wütend. Das ist wichtig zu betonen, weil Müller selten wütend ist. Als Generalintendant des Staatstheaters hat der 40-Jährige im achten Oldenburger Jahr viel erlebt, aber dies noch nicht.
Es sollte ein theatralischer Höhepunkt der Saison werden: etwas mit Herzblut Geschaffenes, etwas Authentisches aus der Region. Daraus wird nichts – jedenfalls nicht so, wie man sich das dachte. Die Uraufführung des dokumentarischen Dramas „Blankenburg“, geplant für den 19. Juni im Kloster Blankenburg bei Oldenburg, darf nicht im Kloster Blankenburg stattfinden.
Schuld habe, so der Theaterleiter am Montag, der Eigentümer der Immobilie. Genauer: die TAG Gewerbe-Immobilien GmbH in Hamburg mit ihrem Vorstandschef Rolf Elgeti.
Gruselig schöner Ort
Das Unternehmen habe zunächst zugestimmt. „Deshalb haben wir das Stück ja eingeplant“, so Müller. Man wollte die zumeist düstere Geschichte des Ortes (siehe nebenstehenden Kasten) aufarbeiten. Warum dort? „Weil“, erläutert Müller, „wir Geschichte dort erzählen wollen, wo sie stattfand.“
Das wollte man seit 2011. Also habe man einen Aufruf gestartet, nach Zeitzeugen gesucht, ehemalige Patienten und Pfleger befragt, am Stück gebastelt. Was würden sie mit dem Ort machen?, wurde ein ehemaliger Psychiatriepatient gefragt. Vernichten, hat der geantwortet. Andere fanden den grausigen Ort idyllisch.
Der ambivalente Ort, sagt Regisseurin Julia Rösler, sei irgendwie gruselig, irgendwie hübsch. Heiter würde das Ganze auf keinen Fall. Aber in Blankenburg könne man Mauern zum Sprechen bringen. Noch vor einem Jahr durften Mitarbeiter der Bühne in leerstehenden Gebäuden eine Sichtung vornehmen.
Dann kam – im Juni 2013 – die Absage aus Hamburg. Die Gründe? Müller spekuliert. Offiziell wurden von der TAG unter anderem Sicherheitsprobleme angeführt. „Vorgeschoben“, mutmaßt Müller. Vielleicht habe der Eigentümer nur Angst, dass Blankenburg noch schwerer verkäuflich sei als ohnehin.
Jedenfalls setzte Müller – als klar war, dass nichts mehr klar war – alles in Bewegung. Er fing Bundespräsident Gauck auf der Gala des Theaterpreises „Faust“ ab. Sprach 20 Minuten mit ihm, hatte den Eindruck, Verständnis zu erhalten. Und bekam brieflich eine zarte Absage: ein Bundespräsident, so hieß es, dürfe sich leider nicht in ungeklärte rechtliche Sachen mischen.
Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler schrieb einen lieben Brief an Herrn Elgeti von der TAG. Auch das half nicht. Müller fuhr nach Hamburg – und wurde nicht empfangen. Dann versuchte man, zumindest auf das Außengelände zu gelangen. Doch die zuständige Bundesanstalt musste ablehnen: Man sei nur Mieter des Geländes, Eigentümer sei die TAG. Jetzt erst, also am Montag, teilt Müller mit, was bisher geschah. Zu spät?
Jetzt auf Probebühne
„Wir haben gehofft“, sagt er. Man habe oft gezeigt, wie toll man außerhalb des Theaters gut Theater spielen könne, etwa auf Oldenburgs Fliegerhorst, immerhin fünf Monate lang. Warum sollte das nicht in Blankenburg funktionieren?
Die TAG-GmbH beharrte am Montag – auf Nachfrage dieser Zeitung – auf ihrer Absage. Man habe die auch früh dem Theater mitgeteilt. Man sieht nach wie vor die Probleme der Sicherheit („Brandschutz, Fluchtwege“ etc.). Man sei als Eigentümer haftbar. Man habe keine Angst vor einem Imageverlust, die Historie des Gebäudes sei ja ohnehin öffentlich zugänglich.
Das Areal soll, wie diese Zeitung erfuhr, inzwischen an einen Oldenburger Immobilienunternehmer verkauft worden sein. Das Stück wird man dennoch aufführen, sagt Müller trotzig: am 19. Juni auf der Probebühne 4. „Da muss ein gedanklicher Brückenschlag zwischen Blankenburg und der Bühne her.“ Und das macht ihn fast wieder wütend.
Artikel zum Thema: Kloster öffnet sich sozialen Initiativen
Lesen Sie auch: Staatstheater darf Stück nicht im Kloster aufführen