Huntlosen/Australien - „Manchmal muss man Tausende von Kilometern reisen, um zu sehen, was einem direkt vor der Haustür, in der Heimat, fehlt.“ Und in Australien hat Sybille Castens etwas gefunden. Dort drehte sie den bewegenden Dokumentarfilm „Koori bedeutet Mensch“.
Aufgewachsen in Huntlosen, verließ sie als 17-Jährige das Oldenburger Land in Richtung Hamburg. Nach einer Ausbildung zur Mediengestalterin Bild und Ton, Castens sagt lieber „Film und Musik“, begann sie, Image- und Industriefilme zu produzieren. Durch einen Auftrag in England erfuhr sie vom Berg Gulaga in Australien. Dort lernte sie einige Ureinwohner kennen, die als „Aborigines“ bekannt sind. „Sie selber nennen sich Aboriginal“, berichtet die 43-Jährige.
Dessen Schicksal ließ sie nicht mehr los. Mit dem Kameramann Jean-Baptiste Höppner machte sie sich 2010 auf nach Australien. Für den Dreh war sie insgesamt neun Monate auf dem Kontinent unterwegs. Ihr Ziel: Eine authentische Dokumentation über die Yuin, eine Gruppe von urbanen Aboriginal, die sich den Lebensverhältnissen der „Weißen“ anpassen mussten.
Aboriginal reden offen
„Mit einem australischen Filmteam hätten sie niemals so offen geredet. Immer bleibt der Gedanke zurück, dass die Australier ihre eigene Wertung mit in den Film nehmen.“ Zu stark verbinden die Ureinwohner die heutigen „Weißen“ mit den Briten, die Ende des 18. Jahrhunderts in Australien landeten.
Als Deutsche war Castens neutral genug. Ungewöhnlich frei reden die Aboriginal über ihr Schicksal und ihre schrecklichsten Momente vor der Kamera. Oft unter Tränen. Vertreibung, Verbot von Traditionen, Internierung und Kulturverlust sind die Hauptthemen in Castens Werk. Dazu kommen beeindruckende Naturaufnahmen – weiße Sandstrände und rote Sonnenuntergänge sorgen für einen Kontrast zur schrecklichen Geschichte in einer landschaftlich einmaligen Umgebung.
Glaner Braut im Gepäck
Ungefähr 500 Kilometer südlich von Sydney, an der Küste von New South Wales, war das zweiköpfige Filmteam unterwegs. Im Zentrum steht der Berg Gulaga, der für die Yuin eine Art von Mutterfigur in ihrer Kultur darstellt. „Ich war sehr beeindruckt, wie die Aboringinal mit der Natur verbunden sind, wie sie mit ihr ihre Kultur identifizieren.“ Der Gedanke ließ die Huntloserin nicht mehr los. Sie zeigte den Aboriginal ein Foto von der Glaner Braut, einer Megalithanlage in der Nähe der Bauerschaft Glane bei Wildeshausen. „Die Aboriginal fragte mich ganz verwundert, warum wir diesen Ort gar nicht mehr als Kultstätte nutzen. Das war ein Schock für sie und dann auch für mich.“ Castens sah, dass den Aboriginal ihre Kultur gestohlen wurde, sie aber immer noch versuchen, diese zu leben. Ein Prozess, der in Deutschland so nicht mehr stattfindet. Dies machten ihr erst die Aboriginal mit ihrem Leben in der Natur bewusst, und das möchte die Filme-Macherin auch jetzt nach Deutschland übertragen. Seit über zwei Jahren wohnt sie wieder in Huntlosen, mitten in der Natur.
Neues Projekt geplant
Nach dem Fertigstellen des Films – der Schnitt hat auch noch mal über ein Jahr gedauert, denn sie machte alles selber – plant sie schon das nächste Projekt. Ein Film auf Plattdeutsch. In diesem Zusammenhang gründete sie mit mehreren Freunden den Verein „Landwahn“, der sich mit kulturelle Belangen in plattdeutscher Sprache befasst. Ausgelöst haben dies die Aboriginal. Castens: „Sie leben ihre Kultur und Tradition, sie kämpfen dafür. Diesen Gedanken will ich nach Deutschland übertragen.“