OLDENBURG „Sie können zwar nicht mitdiskutieren, aber immerhin haben Sie danach die Möglichkeit, bei einem Glas Rotwein über uns zu lästern.“ Mit einem humorvollen Augenzwinkern begrüßte Heinrich Schmidt die Zuhörer des „Historischen Quartetts“ im fast voll besetzten Veranstaltungssaal der Oldenburgischen Landesbank.
In gewohnt erfrischender Weise stellte der Historiker mit seinen Kollegen Gunilla Budde und Hans-Henning Hahn von der Uni Oldenburg drei historisch-politische Neuerscheinungen vor. Gast der Runde war diesmal Frank Bösch mit seiner Studie „Öffentliche Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland und Großbritannien 1880–1914“ (Oldenbourg, 540 Seiten, 59,80 Euro).
Fall Oscar Wilde
Der stellvertretende Geschäftsführer des Historischen Instituts der Justus-Liebig-Uni Gießen untersucht darin 30 Skandalfälle, beispielsweise aus den Bereichen Homosexualität (der Fall Oscar Wilde) oder koloniale Gewalt. Interessant dabei: Im späten 19. Jahrhundert stießen oft nicht die Medien Skandale an, sondern die Politiker selbst – um die Agenda zu bestimmen und politische Kontrahenten zu schwächen.
Gelobt wurde Bösch für seinen vergleichenden Blick zwischen dem deutschen Kaiserreich und dem viktorianischen Großbritannien. Aber es ergaben sich auch Fragen. Hahn: „Produzieren Stereotype Skandale, oder ist es umgekehrt?“
Glänzend geschrieben
Ins Detail ging es auch bei Uwe Wesels „Geschichte des Rechts in Europa“ (C. H. Beck, 734 S, 38 Euro). Trotz einiger Kritik war man sich einig: eine gut lesbare Rechtsgeschichte, auch für Nicht-Juristen. Und topaktuell mit Beispielen wie der von der Berliner Kassiererin Emmely. Lob gab es außerdem für die Essay-Sammlung „Das vergessene 20. Jahrhundert – Die Rückkehr des politischen Intellektuellen“ (Hanser Verlag, 480 Seiten, 27,90 Euro) von Tony Judt. Die Porträts berühmter Persönlichkeiten wie Hannah Arendt oder Judts kritische Gedanken zum Nationalstaat Israel seien glänzend geschrieben und außergewöhnlich gut aus dem Englischen übersetzt.
Gestritten wurde an diesem Abend nicht. Aber gefachsimpelt. Und das bot dem Publikum genug Stoff für Diskussionen beim anschließenden Glas Rotwein im Foyer.