OLDENBURG - Anke Hübners Großvater hat wenig über seine Kriegserlebnisse gesprochen. Fotos aus den Jahren 1939 bis 1942 hingegen gibt es viele. Alle sind akribisch beschriftet und datiert. Zuerst französische Ortsnamen, später russische. Alles endet 1942 in der Sommeroffensive bei Stalingrad. Hans Röder wurde verletzt und ausgeflogen. „Das hat ihm vermutlich das Leben gerettet“, berichtet die Enkelin. Sie hat die Alben des Großvaters für die Ausstellung „Fremde im Visier“ im Stadtmuseum gern zur Verfügung gestellt.
Bilder nicht attraktiv
„Er hat sich so viel Mühe gegeben“, sagt die 41-Jährige, die zu DDR-Zeiten in Halle an der Saale aufgewachsen ist und seit 1995 in Oldenburg lebt. „So haben die Fotos noch eine Verwendung.“ Als Kind blätterte sie manchmal die Fotoalben mit dem Opa durch. Doch die schwarzgrauen Bilder mit den Männern in Uniformen erschienen dem Mädchen damals nicht so attraktiv. Manches besonders grausame Bild, das sie als Kind verstörte, habe sie später aber nicht mehr in den Alben gefunden. „Die waren rausgenommen“, sagt die Diplom-Kartografin.
Alles verdrängt
Sie glaubt, der Großvater habe das alles verdrängt. Zwar habe sie gefragt, doch keine Antworten bekommen. Irgendwann fragte sie nicht mehr. „Unser Verhältnis hat das aber nicht belastet.“ Hans Röder, der Zeit seines Lebens als Schmied in Lochau bei Halle arbeitete, hatte immer gern fotografiert. Das machte er eben auch während des Krieges und danach. Dass diese Zeit zwar verdrängt, aber nicht vergessen war, zeigte sich nach der Wende. Röder forschte nach den Namen von Kriegskameraden in Schleswig-Holstein.
Auch Monika Cremers Vater kämpfte zunächst in Frankreich und später in Russland in einem Flak-Bataillon. Weihnachten 1942 hat sie mit ihrem Vater zum ersten und letzten Mal in ihrem Leben am Christbaum gestanden. Da war sie nicht einmal zwei Jahre alt. „Ich erinnere ihn trotzdem“, erzählt sie. „Aber vielleicht hat mein Wunsch diese Figur geformt.“
Persönliches Buch
Auf Spurensuche nach dem Menschen machte sie sich erst 2005: Entstanden ist ein ganz persönliches Buch, das sie nur für sich hat binden lassen. „Für irgendetwas musste es doch gut gewesen sein, dass meine Mutter diese Schachtel mit Fotos und Aufzeichnungen aufbewahrt hatte“, sagt sie. Wegwerfen kam für sie nicht in Frage. „Dieses kurze Leben durfte so nicht im Müll enden.“
Mühsam entzifferte sie die krakeligen, deutschen Buchstaben, geschrieben in den Schützengräben zwischen 1940 und 1943. Die Sätze geben das Leiden eines jungen Mannes wieder, der nicht hatte Handwerker werden dürfen, sondern Soldat sein musste: „Immer wieder Gefahr und Sterben. Einsamkeit.“ Monica Cremer heiratete später einen sehr viel älteren Mann. Vielleicht weil sie als Kleine keinen Vater hatte. Er fiel im Alter von 31 Jahren im russischen Orel. In sein Tagebuch hatte er kurz zuvor geschrieben: „Ich glaube, man hat uns belogen. Wir haben uns begeistern lassen.“
Die Ausstellung „Fotoalben aus dem Zweiten Weltkrieg“ ist noch bis zum 13. September im Stadtmuseum zu sehen.