Oldenburg Es kann Leidvolleres geben, als etwa Fan eines Fußballvereins wie Hamburger SV, VfB Oldenburg oder Energie Cottbus zu sein. Man kann, zum Beispiel, im Großen Haus des Staatstheaters einen ganzen Sonntagmittag mit Stefan Mickisch verbringen. Das ist ein begnadeter Selbstdarsteller, womit er kaum zurückhält. Und er ist, allem zum Trotz, einer der tiefgründigsten Richard-Wagner-Analysten, was er auch schon mal verbirgt.
Angereist ist der Pianist und Moderator mit dem Auto. Er hat schließlich seine eigenen CDs dabei. Diese Verkaufswerbung machen Stars normalerweise erst zum Ende. Für einen wie ihn kommt die Bahn sowieso nicht mehr infrage. Sie ist, wie vieles, immer schlechter geworden. Überhaupt: Rot. Grün. Merkel. Ein Land, das durch Windräder optisch kaputtgemacht worden ist. „Da ist Götterdämmerung angesagt“, oder treffender: „Deutschland-Dämmerung.“ Immerhin, der Bogen zum Thema ist geschlagen, denn die letzte Premiere im Oldenburger „Ring des Nibelungen“ steigt am Sonnabend (28. September, 17 Uhr).
Doch ohne Umwege geht bei Mickisch nichts. Für den Spruch, nach dem moderne Inszenierungen allesamt Mist seien, weil die Regisseure intellektuell hässlich sind, bekommt man hier tatsächlich noch Beifall. Nun ja, dass es in Oldenburg eine „Zauberflöte“ auf dem Bahnhof gab, die über Spielzeiten hinweg ausverkauft war, könnte vergessen sein. Oder jene in Deutschland hoch gelobte „Saul“-Inszenierung, in der in einer Szene ein Gabelstapler Leichen wegkarrt. Es gibt auch Pfiffe und ein Türenknallen. Denn „dass er noch keinen Grünen erlebt hat, der intellektuell gebildet wäre“, kommt nun gar nicht an.
Doch, doch, es gibt Musik. Wagner war einer jener Großen, „die nicht für die Zeit schreiben, sondern über die Zeit hinweg“. Da demonstriert Mickisch als zupackender Pianist, wie im „Ring“ Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinanderfließen. Oder wie logisch und genial die Handelnden charakterisiert sind: „Hagen ist Siegfried an Intelligenz überlegen, nicht an Kraft. Gunther ist groß im Traum und klein in der Tat.“ Imponierend ist auch die pianistische Darstellung, „wie sinnvoll die Natur aufgebaut ist – und was der Mensch daraus macht“.
Vorausgesetzt hat der Erklärer, dass die Zuhörer (nach der Pause deutlich weniger) den Ablauf der „Götterdämmerung“ einigermaßen kennen. Kundig muss sein Publikum sein, wenn auch nicht zwingend so wie einmal ein Japaner. „Wenn ich in einem anderen Land auftrete, lerne ich möglichst auch die Sprache“, streut er ein. Also in Japan japanisch. Das muss leichtfallen. Einmal sprach ihn ein Japaner darauf an, dass er nicht das Rhein-Motiv original gespielt habe, sondern eine Variation. Das hat er verstanden, Respekt, Respekt.
Man scheidet einvernehmlich. „Wagner ist ein Zentrum aller Philosophie, alle schöpfen aus diesem Brunnen.“ Da ist Mickisch in seinem Element, mit klug gewählten Überleitungen und Verbindungen zu vielen Größen von Ravel bis Bernstein. Die Welt umspannende Musik Wagners „kann niemand töten“.
Gut, solchen Trost mit nach Hause zu nehmen.