OLDENBURG - Der Theologe Karl Barth hat vermutet: Im Himmel singen die Engel immer Bach. Doch wenn Gott ihnen mal nicht zuhört, dann vergnügen sie sich viel lieber mit Mozart. Also darf man schlussfolgern: Träte das Streichquartett „MozART group” bei ihnen auf, würden sie sofort einen Fanclub gründen.
Nun sind die vier Polen zum Glück sehr erdverbunden. Das kommt den Zuhörern im ausverkauften Großen Haus beim Neujahrskonzert des Vereins der Musikfreunde zugute. Sie finden Filip Jaslar und Michal Sikorski (Violine), Pawel Kowaluk (Viola) und Boleslaw Blaszczyk (Cello) jetzt schon himmlisch. Dass die Musiker-Komiker schließlich mit bandagierten Armen Arbeitsunfähigkeit anzeigen, bewahrt sie nicht vor Zugaben. Erst mit dem Finalsatz der „Kleinen Nachtmusik” werden sie entlassen.
Mozart ist Ausgangs- und Endpunkt und oft Zwischenstation. Zwei Takte aufwärts steigend als Einstieg, zwei abwärts als Abrundung, eine ebensolche Phrase als Antwort: Der Beginn der berühmtesten Serenade ist auch ein Meisterwerk musikalischer Ordnung und Ökonomie. Doch davon halten die Musiker nichts. Was hat der Wolfgang Amadeus bei seiner Nachtmusik nicht alles ausgelassen? Synkopen, Jodler, Balkanfolklore, Ragtimes.
Aber auch Rossini, Grieg, Boccherini, Beethoven, Rodrigo, Brahms, Joplin, die Beatles oder Elton John haben komponiert. „Elise” ist zu besingen, Ravels Bolero-Rhythmus mit den Füßen zu klackern. Geigen, Bratsche und Cello fordern innovative Spieltechniken. „MozART” macht nicht nur ein Programm für Engel sondern notfalls auch für Banausen. Diese Mischung in der Schwebe zwischen Überfeinerung und Plattheit zu halten, zwischen Natürlichkeit und Nachdrucksschwere, ist die hohe Kunst der Polen und ihre Versicherung gegen Klamauk. Da können sie auch Opernsänger Alexej Kosarev auf die Bühne lotsen und mit ihm „O sole mio” schmettern.
Jaslar trägt als Primgeiger erfrischend schwer an der Verantwortung fürs Quartett. Kompagnon Sikorski schlägt gern über die Stränge. Kowaluk hält die Fahne des seriösen Künstlertums hoch. Blaszczyk ergründet den Sinn des Musikerlebens. Die endlose Basslinie im Kanon von Pachelbel erlaubt ihm Bedenkzeit. Einst stand er vor der großen Karriere, was er lässig mit den Eingangstakten von Haydns C-Dur-Konzert betont. Aber nun streicht er diese 28 Kanon-Takte, immer Halbe hin und her. Da kommt über die Jahre eine ordentliche Bogenstrecke heraus: „Von Cottbus nach Leipzig - aber über Rostock!“ Gut, dass manchmal Pizzicati die Wege verkürzen.
Und gut, dass im Namen Mozarts körperlich Nahrhaftes auf dem Markt ist. Was gibt es neben der Gage zum Künstlerlohn? Mozartkugeln.