OLDENBURG - „Hexenjagd“ ist in Oldenburg ein Ensemble-Stück im besten Sinne. Den 20 Darstellern gelingt es, eine hysterisierte Dorfgemeinschaft zum Leben zu erwecken.

Von Regina Jerichow

OLDENBURG - Es herrscht die nackte Angst. Eine Denunziation, ein kleiner Verdacht, ein falsches Wort – schon droht der Strick. Eine Gesellschaft in Panik hat Arthur Miller mit seinem Theaterstück „Hexenjagd“ gezeichnet, die Kommunisten-Hatz der McCarthy-Ära im Hinterkopf. Als Folie benutzte er den religiösen Wahn, der 1692 in dem Dorf Salem in Massachusetts Dutzende von Menschen das Leben kostete. Ein dramaturgischer Schachzug, mit dem er sein Schauspiel ins Zeitlose hob.

Folgerichtig hat Regisseur Thomas Goritzki in seiner Inszenierung für das Große Haus des Oldenburgischen Staatstheaters darauf verzichtet, ein historisierendes Sittengemälde zu malen, enthält sich aber zugleich jeder vordergründig aktualisierenden Anspielung. Die Figuren des Stückes tragen zeitgenössische Kleidung, die ein befremdliches Eigenleben entwickelt: Sie wandelt sich vom unschuldigen Weiß im ersten Teil in blutiges Rot im zweiten. Ein überdeutlicher Hinweis, das hier alle schuldig werden – die hysterischen Mädchen, die harmlose Bürger der Hexerei bezichtigen, die Kirchenvertreter, die sich in den Dienst der Obrigkeit stellen, die unerbittlichen Hexenjäger, aber letztlich auch deren Opfer mit all ihren persönlichen Verstrickungen.

Viel mehr an Farbigkeit hat das sterile Bühnenbild von Monika Gora nicht zu bieten: Der offene Raum und die überaus sparsam eingesetzten Requisiten – ein paar Stühle, ein Wasserkrug, ein Kreuz an der Wand – bleiben bis zum Schluss blütenweiß. Das puristische Ambiente, das ein bisschen nach Meister Propper riecht, hat den Vorteil, das es zwangsläufig die Konzentration der Zuschauer schärft. Wo es nicht so viel zu gucken gibt, muss man eben zuhören.

Und letztlich zahlt sich Goritzkis Vertrauen auf Millers präzise Sprache aus: Fast ohne dramatische Aufsetzer – lediglich am Ende fallen in weiße Tücher gehüllte Puppen herab und baumeln an ihren Stricken – wird die Parabel als Warnung vor jedweder gesellschaftlichen Paranoia deutlich.

„Hexenjagd“ ist in Oldenburg ein Ensemble-Stück im besten Sinne des Wortes. Gemeinsam gelingt es den 20 Darstellern, eine hysterisierte Dorfgemeinschaft zum Leben zu erwecken – wenn auch mitunter die Lautstärke die Dramatik zu übertönen droht.

Besonders herausragend: Thomas Lichtenstein als oberster Hexenjäger Danforth, der mit Eiseskälte das Recht verdreht, Eva-Maria Pichler, die als Abigail die gestörte Psyche einer sexuell Frustrierten zum Ausdruck bringt, und Toni Schatz als moralisch aufrechter, aber vor Angst schlotternder John Proctor, der am Ende das rettende „Geständnis“ verweigert und seine unschuldig angeklagten Mitbürger nicht belastet.

Und ganz zuletzt erlaubt sich Goritzki doch noch eine eigene Zuspitzung, indem er Proctors Hinrichtung das Heldenhafte nimmt und den Schluss zusammenstreicht. Das letzte Wort hat Danforth, hat der Tod: „Hängt sie hoch über die Stadt!“

Karten: Tel. 0441/22 25 111