Oldenburg Die Retterin heißt Ioana Cristina Goicea. 26 Jahre alt, Geigerin aus Rumänien, ausgebildet in Leipzig, Rostock und Hannover. Sie ist im 5. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters in der voll besetzten Weser-Ems-Halle für den erkrankten Emmanuel Tjeknavorian eingesprungen.
Wer hat schon so Knall auf Fall das herausfordernde 1. Violinkonzert a-Moll op. 77 von Dmitri Schostakowitsch griffbereit? Goicea hat es – und wie! Es wirkt wie für sie maßgeschneidert. Sie hat damit bereits in Neuseeland und den USA gastiert. In Oldenburg bildet diese lyrisch introvertierte und dann wild ausbrechende verkappte Sinfonie mit Violine zusammen mit Ludwig van Beethovens 3. Sinfonie Es-Dur op. 55 das Kernwerk.
Der Solistin interpretiert das 1955 uraufgeführte Werk durchaus ungewöhnlich. Schostakowitsch versteckt oft mehr, als er preisgibt. Doch Goicea bedient sich einer klaren Sprache, ohne dass der Schauder des immer noch Rätselhaften und Abgründigen verdrängt wird. Bei ihr verrät schon das zarte Nocturno pure Einsamkeit. Aus dem wilderen Scherzo schimmert die blanke Angst hervor. Doch über Passacaglia und den Orchesterfuror der finalen Burleske baut sie Trotz auf. Ihrem ebenso herben wie filigran ziselierten Ton merkt man nicht einmal in der riesigen Kadenz den Kraftaufwand an.
Dirigent Golo Berg muss kaum lange tüfteln, um diesen Weg zwischen hauchenden Pianissimi und ungehemmter Motorik mitzugehen. Der Generalmusikdirektor am Theater Münster besitzt die Ausstrahlung, alles auf einfache Weise richtig zu machen. Welche Stimmungen er sowohl mit großen Gesten als auch dezentem Anstacheln einem Orchester entlocken kann, verdeutlicht er schon in der einleitenden Konzertouvertüre „Excelsior“ von Wilhelm Stenhammar. Der Finne hat 1896 forsch den ganzen spätromantischen Orchesterapparat hochgefahren. Es klingt auch nach Wagner, Grieg oder Brahms. Doch Berg stellt vor allem die Erhabenheit der Themen und ihre feinfühlige Verarbeitung heraus. Aufgedonnert wird nichts.
Bergs Beethoven ist im besten Sinne seriös. Mit dem Staatsorchester in bestechender Form baut er Hochspannung organisch auf und hält sie über die ganze Strecke. In dieser „Eroica“ setzt er auf maßvolle Tempi, flüssig, ohne Willkür. Nur einmal verlässt ihn sein Instinkt. Im Marcia funebre wechselt er von gewichtig auf schwerfällig. Da verliert die Musik ihre große Dimension. Doch sonst wirkt sie dicht gewoben, meidet das Pathetische, aber scheut nicht das Monumentale. In diesem ausgewogenen Maß kündet sie vom Kühnen und Neuen, ohne zu verstören.