Oldenburg - Weißer Sandstrand, blaues Wasser und warme Luft: Zunächst denkt man bei so einer Schilderung an Erholung pur. Tischler Holger Sager sah in dem Strand einer thailändischen Insel aber eine Art Riesen-Skizzenbuch. Im Sand entstanden die ersten Entwürfe seines Tischler-Gesellenstücks. Tagsüber machte er sich den Strand zu eigen – „abends habe ich das dann in mein kleines Buch übernommen“.

Die ersten Entwürfe des Schreibtisches entwickelte er auf der Insel im vergangenen Herbst, ein Jahr später machte er mit dem fertigen Werk den zweiten Platz beim Wettbewerb „Die Gute Form“. Auf dem Messestand von Tischler Nord auf der Verbrauchermesse „infa“ wurden Ende Oktober die besten Gesellenstücke junger Tischler in Niedersachsen ausgezeichnet.

„Ich wusste schon die ganze Zeit, dass ich einen Schreibtisch bauen werde“, sagt der 39-jährige Oldenburger. Sein Gesellenstück kann von beiden Seiten genutzt werden und bietet einen dazugehörigen Unterschrank mit Druckerfach. Als Material hat der Tischler wilde rissige Eiche, gebürstetes Edelstahl und schwarzes Linoleum verwendet, weshalb er sein Werk „Black Jack“ genannt hat. 94 Arbeitsstunden investierte er in die Fertigstellung seiner Abschlussarbeit.

Obwohl Sager schon als Kind Tischler werden wollte, war er bis zu seinem 37. Lebensjahr in verschiedenen Jobs tätig. Vor zwei Jahren begann er eine Umschulung im Oldenburger Ausbildungsbetrieb „Die Möbelwerkstatt Kirstein Schubert“. Er sagt: „Tischlern war immer eine kreative Leidenschaft von mir.“ Die vier Küchen in seinen unterschiedlichen WGs hat er über die Jahre alle selbst gebaut.

Normalerweise ist der Tischler nicht aus der Ruhe zu bringen, das war bei der Siegerehrung der besten Gesellenstücke anders. „Ich habe gezittert.“ Denn obwohl er Innungssieger der Tischler-Innung Oldenburg geworden ist und sich somit für „Die Gute Form“ qualifiziert hat, schätzte er seine Chancen beim Wettbewerb auf Landesebene zunächst eher schlecht ein.

Er dachte, der Tisch wäre zu klein und zu praktikabel gebaut, um beim Wettbewerb mit den großen Chef-Schreibtischen der anderen Teilnehmer zu konkurrieren. „Aber da geht die Jury mit einem ganz anderen Auge ran“, erklärt Sager. Denn es wird speziell auf die praktische Benutzbarkeit der Gesellenstücke geachtet. Die Jury bezeichnet Sagers Gesellenstück als „ein Schreibtisch für die Wohnnomaden von heute, der sehr mobil und flexibel nutzbar ist“. Und die Größe hat auch ein wenig mit Eigennutz zu tun: „Der ist so klein, weil er in meinem Zimmer stehen soll.“

Momentan ist der Schreibtisch allerdings noch zum Schutz verdeckt und wird erst im nächsten Jahr wieder enthüllt. Durch seine Zweitplatzierung in Niedersachsen wird er in 2017 nun auf Bundesebene mit seinem Gesellenstück gegen andere Tischler antreten.

Bis dahin beschäftigt er sich mit Treppen anstatt mit Möbeln: Nach seiner Ausbildung hat Sager bei Tischlerei Carstens in Wüsting-Oberhausen eine Stelle angetreten. Der Betrieb fertigt sieben Treppen die Woche an. Dort möchte er mehrere Stationen durchlaufen, um möglichst viele Aspekte des Treppenbaus kennenzulernen: „Ich will das alles können.“

Anna-Lena Sachs
Anna-Lena Sachs Online-Redaktion (stv. Ltg.)