Wilhelmshaven/Hamburg - Wussten Sie eigentlich, dass Rammstein schon mal im Wilhelmshavener „Pumpwerk“ gespielt hat? Vor nur knapp 250 Zuschauern! Als freier Mitarbeiter dieser Zeitung durfte ich dabei sein. Und hier ist die Geschichte:

Im Frühsommer 1995 fragte das Hamburger Plattenlabel „Motor Music“ an, ob Interesse bestehe, die neuesten Hoffnungsträger der Firma in Augenschein zu nehmen. Rammstein, so der Name der besagten Gruppe, befände sich derzeit im Studio, für den letzten Feinschliff an ihrem Debütalbum. Vom ersten frühen Besuch eines Pressevertreters erhoffe sich das Label eine Einschätzung, ob es sich bei der Ostberliner Band tatsächlich um den gewünschten Rohdiamanten handle. Die Neugier war geweckt.

Im „Chateau du Pop“, dem topmodernen Tonstudio im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel, herrschte gereizte Stimmung, als ich dort wenige Tage später aufschlug. Rammstein standen unter Zeitdruck. In Schweden waren die Arbeiten an „Herzeleid“, so der Titel des geplanten Erstwerks, ergebnislos abgebrochen und erst hier wieder aufgenommen worden. Jetzt rückte das anvisierte Veröffentlichungsdatum bedrohlich näher, demzufolge lagen die Nerven aller Beteiligten blank.

Vor allem Sänger Till Lindemann, ein Mann mit kühler Aura und spitzer Zunge, betrachtete mich quasi als Eindringling in die Privatsphäre der sechsköpfigen Truppe. Entsprechend barsch konterte er meinen Einwand, der von „Motor Music“ zur Klassifizierung ausgegebene Stilbegriff „Tanzmetal“ sei möglicher-weise irreführend, in seinem typisch berlinerischen Duktus: „Gott, was is’n dett für ’ne Frage?“

Dennoch lud mich die Band vier Wochen später ein zweites Mal ein, diesmal nach Berlin, zum ersten offiziellen Pressetermin mit internationalen Journalisten. Ich erlebte eine Metropole im Umbruch, knapp sechs Jahre nach dem Mauerfall. Überall Baustellen, Touristen aus aller Herren Länder, dazu der für den Westteil der Stadt ungewöhnliche Gestank zweitaktgetriebener Trabbis, und tatsächlich – ich hatte das Klischee nicht für möglich gehalten – Menschenansammlungen vor Ständen mit Südfrüchten.

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Rammstein warteten in einem kleinen Programmkino auf mich. Der Saal war abgedunkelt, auf der Leinwand flimmerte ein schwarz-weißer Stummfilm, direkt davor standen ein riesiger Scheinwerfer, ein kleiner Tisch und ein Stuhl, auf dem ich Platz nehmen sollte. Die Band dagegen kauerte auf den Zuschauerrängen in Sitzreihe sechs oder sieben, aufgereiht wie die Orgelpfeifen. ,,Wir haben keine Erfahrung mit dem Business und suchen nach einem Konzept, wie wir uns verhalten sollen“, erklärte Gitarrist Richard Kruspe die für Interviews ungewöhnliche Szenerie, bei der die Musiker – unabhängig davon, an wen die Frage gestellt wurde – der Reihe nach von links nach rechts antworteten.

Till Lindemann ergänzte: „Ich finde Fragen grundsätzlich interessanter als Antworten, deswegen weigere ich mich prinzipiell zu antworten. Wenn es nach mir ginge, würden wir gar nichts sagen, sondern allein unsere Musik sprechen lassen.“

Genau das taten Rammstein dann nur wenige Monate später, am 21. Februar 1996, auch in Wilhelmshaven. Der Veranstalter des „Pumpwerks“ hatte die vielversprechenden Newcomer für ein Konzert verpflichten können, wohl ahnend, dass man eine solche Chance nur einmal im Leben bekommt.

Schon damals, vor knapp 25 Jahren, fackelte die Band ein – im wahrsten Sinne des Wortes – beispielloses Feuerwerk ab: Auf der Bühne brannte und qualmte es ohne Unterlass, die omnipräsente Pyrotechnik sorgte für kriegsähnliche Szenarien in der Jadestadt, während Lindemann seinen riesigen Flammenwerfer direkt über die Köpfe der knapp 250 Anwesenden abfeuerte. Nicht nur den vorsorglich herbeigerufenen Brandschützern stand der blanke Schweiß auf der Stirn.