Oldenburg - Es war der 4. September 1914, ein Freitag: Am Heiligengeistwall wurden feierlich die neuen „Wall-Licht-Spiele“ eröffnet – das war an diesem Donnerstag vor 100 Jahren. Zur Eröffnung gab’s eine „Wohltätigkeits-Vorstellung zum Besten der Kriegshilfe“ – mit „Spartacus“, dem „gewaltigen Römerdrama“, Naturbildern vom Apennin, Flottenmanövern der österreichischen Marine, Naturaufnahmen der Ostsee bei Bornholm und „Deutschen Offizieren beim Reitsport“, alles auf Holzklappstühlen. Die billigsten Plätze kosteten 35 Pfennig, die teuersten 1,50 Mark. Die bei den „Nachrichten für Stadt und Land“ eingehenden Kriegstelegramme wurden zwischendrin aktuell auf die Leinwand projiziert.
Seitdem hat das Wall-Kino – bis zu seiner Schließung 2007 – unzählige Oldenburger allabendlich erfreut. Unvergessliche Erinnerungen verbinden sich damit: von „Bernard & Bianca“ über den „Krieg der Sterne“ bis zum „Cinema Paradiso“, mal zum Zerreißen gespannt als Kind in „Winnetou I“, später händchenhaltend mit der Freundin in „James Bond“, 1981 war das, mit Roger Moore in tödlicher Mission. Die einen werden den „Letzten Tango“ mit Marlon Brando und Maria Schneider nie vergessen, die anderen Wortmanns „Sommermärchen“, ein Jahr vor der Schließung. „Bei ,Bambi’ habe ich Rotz und Wasser geheult“, erinnerte sich der Oberbürgermeister-Kandidat Christoph Baak und leidenschaftliche Kino-Fan an seinen ersten Film als Kind im „Wall“. Wie die anderen Kandidaten setzt er sich für den Erhalt und die kulturelle Nachnutzung ein (siehe unten).
Die Filmfestmacher setzten dem Kino auch mit ihren Eröffnungsfeiern ein schönes Denkmal – damals noch kaum ahnend, dass sich das Ende näherte. Doch neben der neuen Großkino-Konkurrenz gab es für den Betreiber Dr. Detlef Roßmann (Casablanca) eine noch schwerwiegendere Veränderung: Im Jahr 2006 erbte Ulrich Marseille das Gebäude von seiner Adoptivmutter, mit der Roßmann über Jahrzehnte gut zusammengearbeitet hatte. Eine Einigung zum Weiterbetrieb kam nicht mehr zustande – und Roßmann schloss das Kino. Allerdings: Ulrich Marseille hat 2012 die Möglichkeit einer Nutzung für Kunst, Kultur oder Unterhaltung signalisiert. Trotz jahrelangen Verfalls besteht weiter die Hoffnung, dass es im „Wall“ wieder Kino und Kultur geben könnte. Auch der Verein Werkstattfilm hält diesen Wunsch vieler Oldenburger am Leben (siehe unten).
Zum „100-Jährigen“ hat er außerdem ein kleines Jubiläumsprogramm aufgelegt (Info-Kasten).