Oldenburg - Oh, wie dieses Mädchen schäumt vor Wut. Es stampft und brüllt, die Augen zusammengekniffen, die Stirn in Falten gelegt. Die miefige Bude aus Plastik, in die es mit der Mutter nach der Trennung vom Vater gezogen ist, bringt das Blut der Zehnjährigen zum Kochen.
„Es war einmal. Da hatten wir noch alles. Uns“, motzt Paulina böse, die alle nur „Maulina“ nennen. Da ahnt der Zuschauer, dass „Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt“, die jetzt im Spielraum des Oldenburgischen Staatstheaters Premiere feierten, wie Pfannkuchen schmecken würden. „Mal salzig, mal süß“, wie Paulinas Opa so passend sagt.
Alles beginnt eher süß – mit Paulinas Königreich, dieser urgemütlichen Wohnung, in der sie Prinzessin war. Lichter tanzen auf einem durchscheinenden Gaze-Vorhang, Vögel zwitschern. Paulina schneidet herrlich komische Grimassen, legt ihr Gesicht wie eine Schildkröte in Falten, verdreht wild funkelnd die Augen und fuchtelt wie eine halbstarke Ballerina ungelenk mit den Armen.
Auch später, als es eher salzig wird und Paulina von der schlimmen Krankheit ihrer Mutter erfährt, bleibt es eine Freude, dieser zierlichen Franziska Werner zuzusehen, die in dieser Spielzeit schon als autistischer Junge, traumatisierte Mutter und Buddenbrooks-Tochter ihre Wandelbarkeit unter Beweis stellte. Jetzt spielt die 33-jährige Berlinerin erstmals im Jungen Staatstheater. „Wer Franziska Werner jetzt immer noch nicht gesehen hat, ist selbst schuld“, findet Regisseurin Isabel Osthues und hat Recht.
Regisseurin und Schauspielerin kennen sich von einer früheren Arbeit und sind ein gutes Team. Beider Handschriften sind eher feinfühlig und sanft, durchzogen von feinem Humor und zarter Tragik. Der Regie obliegt eine Poesie, die durch das zwar schlichte, aber sehr stimmige Bühnenbild von Thilo Zürn unterstrichen wird. So gibt es beispielsweise einen überdimensional großen Stuhl, auf dem Paulina erstaunlich klein wirkt und tröstenden Kakao trinkt.
Der Schauspiel-Student und Gast Robert Zimmermann, der an der Seite von Franziska Werner spielt und mit ihr sämtliche Rollen teilt, hat es da natürlich schwer. Er macht seine Sache wirklich gut, kann ihr aber nicht das Wasser reichen.
Wenn Paulina nicht gerade tobt, atmet sie Mamaduft, der nach Mondschein schmeckt, pfeift mit ihrem Opa auf die Tücken des Lebens oder feiert mit ihrem neuen Freund Paul Geburtstag in einem Fastfood-Tempel. Am Ende ist nicht alles gut, „aber so ist das im Leben nun mal“.
Im Theater endet Paulinas Geschichte hier. Regisseurin Isabel Osthues hat für die Bühne nur den ersten Band der Trilogie bearbeitet. Der Hamburger Autor Finn-Ole Heinrich und die Zeichnerin Rán Flygenring erzählen „Die Abenteuer der Maulina Schmitt“ weiter. Aber das ist eine andere Geschichte.