Varel - Am 15. Dezember 1876 wurde Ferdinand Hardekopf im Wohn- und Geschäftshaus seiner Eltern in der Vareler Nebbsallee geboren. Nach seinem Tod – er starb vereinsamt und in bitterer Armut im März 1954 in Zürich – war der Schriftsteller mehr als ein halbes Jahrhundert lang fast vergessen. Nur vereinzelte Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften sowie zwei Bändchen mit ausgewählten Dichtungen erinnerten an die literarische Bedeutung des „heimlichen Königs des Expressionismus“, der zu seinen Lebzeiten von großen Autoren wie Hermann Hesse, Kurt Tucholsky, Heinrich und Thomas Mann geschätzt wurde. – Auch in Varel gab es ein paar Initiativen. So sorgten etwa die vom Heimatverein und dem Antiquariat Lehmann organisierte Veranstaltung zu Hardekopfs 111. Geburtstag (1987), Schülerprojekte an der Oberstufe des Gymnasiums (1988) und einer 4. Klasse der Schlossplatzschule (2000) sowie eine Artikelserie im Gemeinnützigen (2014) dafür, dass Hardekopf nicht völlig in Vergessenheit geriet.
Seit etwa drei Jahren mehren sich jedoch die Zeichen einer verstärkten Wahrnehmung des Schriftstellers aus Varel. So veröffentlichte das Oldenburger Jahrbuch 2016 einen biografischen Beitrag und schmückte die Titelseite mit einem Hardekopf-Porträt. Die etwa zur selben Zeit von dem Verleger Bernhard Echte herausgegebenen „Berliner Briefe“, eine Sammlung von Feuilletons des jungen Hardekopf, fanden eine durchweg positive, teilweise begeisterte Aufnahme in der überregionalen Presse, darunter die Süddeutsche, die Frankfurter Allgemeine und die Neue Zürcher Zeitung. Besondere Beachtung in seiner Heimat erfuhr Hardekopf im Frühjahr 2016 durch eine vom Arbeitskreis „Literatur in Varel entdecken“ organisierte mehrtägige Veranstaltungsreihe, bestehend u. a. aus einer Lesematinee („Vareler lesen Hardekopf“) und aus Vorträgen, die die beeindruckende Vielseitigkeit des Dichters, Feuilletonisten, Journalisten, Übersetzers und Reichstagsstenografen deutlich werden ließen.
Vor einem Jahr war der Vareler auch im TV zu sehen, dargestellt von dem Schauspieler David Schütter. In dem von ARTE ausgestrahlten Doku-Spielfilm „Der Reichstag – Geschichte eines deutschen Hauses“ (Regie Christoph Weinert) kommentiert Hardekopf aus der Sicht des Pazifisten, der er zeitlebens war, die kriegshetzerischen Reden, die er vor und nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges als Stenograf im Reichstag zu protokollieren hatte. (Wiederholungen des Films sind geplant.)
Und ganz aktuell ist im Dezember-Heft der in Berlin erscheinenden renommierten Literaturzeitschrift „Sinn und Form“ ein Beitrag über Hardekopf zu lesen. Autorin Christina Randig befasst sich darin mit dessen herausragender Bedeutung als Übersetzer französischer Literatur, die schon Thomas Mann und André Gide rühmten. Das Übersetzen war Hardekopfs Brotberuf während des langen Exils, das er in der Schweiz und in Frankreich verbrachte, meist am Rande des Existenzminimums lebend.
Während der deutschen Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg wurden der entschiedene Antifaschist und seine Lebensgefährtin Sita Staub mehrmals in Internierungslagern inhaftiert. Dabei gingen zahlreiche Manuskripte des Dichters für immer verloren.