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Zeitung Nachricht aus der edlen Herrschaft

Varel - Es war das Jahr, in dem in Varel das Amtsgericht entstand, Oldenburg die Herrschaft Jever vom russischen Zaren Alexander I. zurück erhielt und in der Deutschen Geschichte Preußen mit dem neuen Zollgesetz einen zollfreien Binnenmarkt erschloss. Am 13. Juli 1818, als der Buchdrucker Franz Andreas Grosse die erste Vareler Lokalzeitung herausgab, waren Nachrichten dieser Art allerdings nicht der Inhalt der damals noch wöchentlich erscheinenden Lektüre. Diese beschränkte sich vielmehr auf die Zeiten von Flut und Ebbe, die ankommenden und auslaufenden Schiffe im Vareler Hafen und auf wenige Annoncen: „Zimmer und Schmiede Arbeit zur Kaye am Siel in der Cammer auszuverdingen“ oder „Materialien zu Gräfl. Gebäude in der Cammer auszuverdingen“. Zaghaft folgten in den darauf folgenden Jahren Anekdoten und andere „Aufsätze“.

Und dazu gehörten auch Verhaltensmaßregeln. Nur zehn Jahre später beispielsweise, im Oktober 1828, machte die Redaktion darauf aufmerksam, dass es „bey Strafe verboten ist, während des bevorstehenden hiesigen Kramermarktes über die Nebbs-Alle und den Marktplatz zu fahren, zu reiten oder Vieh zu treiben“. Und „Abends nach 10 Uhr“ durfte „kein Licht in den Zelten gebrannt werden“.

Lesen mit Öllampen

Die Zeitung selbst konnte, zumindest in den frühen Morgen- und in den Abendstunden nur beim Licht von Kerzen oder Öllampen gelesen werden – Elektrizität und damit Glühbirnen gab es noch nicht, von moderner Kommunikation ganz zu schweigen. Noch Jahrzehnte nach der Gründung der Zeitung steckte die Fernmeldetechnik in den Kinderschuhen.

Undenkbar war damals, dass zwei Jahrhunderte nach Herausgabe der ersten Vareler Zeitung Nachrichten praktisch in Echtzeit um die Welt rasen – während einst Neuigkeiten selbst nur aus deutschen Landen per Kurier und Post eher gemächlich zum Verlag und schließlich zum Leser wanderten.

„Der Gemeinnützige – Eine Wochenschrift für den Bürger und Landmann der edlen Herrschaft Varel“ war die erste Ausgabe überschrieben. Mehrfach wechselte der Titel – je nach Zugehörigkeit der Stadt Varel. So war er 1855 ein „Anzeigenblatt für die Ämter, Gemeinden und Eingesessenen des Kreises Neuenburg“, acht Jahre später ein „Anzeigen- und Unterhaltungsblatt für den Obergerichtsbezirk Varel“, schließlich ein „Fortschrittliches Tageblatt für Oldenburg und Ostfriesland“.

Fortschrittlich war „Der Gemeinnützige“ über alle Zeiten hinweg. Schon Adolf Allmers, der den Verlag 1874 erwarb, nutzte damals moderne Drucktechniken, seine Nachfahren ebenfalls. Schon früh wurde der Rotationsdruck eingeführt, bereits 1901 erschien das erste Foto in der Zeitung, „Farbe im Blatt“ gab es schon in den 1950er Jahren. Bereits 1902 konnten die Leser ihre Meinung sagen bzw. schreiben: In diesem Jahr erschienen die ersten Leserbriefe. Adolf Allmers’ Sohn und Nachfolger im Verlag, Robert Allmers, machte zudem als Pionier der Autoindustrie Schlagzeilen: Er gründete die Vareler Hansa-Automobilwerke.

Während im Dritten Reich zahlreiche Zeitungen ihr Erscheinen zeitweise, wenn nicht komplett einstellen mussten, kam „Der Gemeinnützige“ täglich zum Leser. Nach Hitlers Machtergreifung Ende Januar 1933 blieb die Lokalzeitung „linientreu“. Im Gegensatz beispielsweise zur „Oldenburgischen Tageszeitung“, die schon am 10. Februar, zehn Tage nach der Regierungsübernahme durch das NS-Regime, verboten wurde – „wegen Abdruck des Wahlaufrufes des Oldenburg. Zentrums“, berichtete „Der Gemeinnützige“. Am gleichen Tage wurde die „erste nat-soz. Wahlversammlung“ jubelnd angekündigt: „Man schreibt uns: Die letzte Wahl steht vor der Tür. Großes ist erreicht, noch größeres muß werden! Die deutsche Befreiung von dem inneren Feind, dem Marxismus und Bolschewismus, muß endlich kommen! Deutsche Männer, deutsche Frauen, helft zur Schaffung einer nationalen Mehrheitsfront! Helft zum Sieg!“ Über Gräueltaten der Nazis wurde nicht berichtet. So stand im November 1938 nicht einmal eine Zeile über den Brand der Synagoge in der Zeitung.

Berichte im Krieg

Noch am 29. April 1945 war stolz über die Lage im „Gau Weser-Ems“ berichtet worden – mit angeblichen Erfolgen für die deutschen Truppen. Die Berichterstattung gipfelte in der Meldung über Hitlers Selbstmord am 1. Mai. „Der Führer starb den Heldentod“ lautete die Schlagzeile in dicken Lettern. „Bis zum letzten Atemzug gegen den Bolschewismus kämpfend“, sei er „für Deutschland gefallen“... Fast schon makaber der Bericht am Tag darauf: „Getreu bis in den Tod – der Heldenkampf des Führers – verpflichtendes Vorbild für alle Soldaten“.

Keine Woche später war der Krieg beendet, Deutschland hatte kapituliert. Die Waffen schwiegen – und auch die Druckmaschinen im Hause Allmers. Erst am 14. Mai gab es wieder einen „Gemeinnützigen“ – herausgegeben in deutscher und englischer Sprache von der Militärregierung, mit amtlichen Bekanntmachungen. Regelrecht zur Schau gestellt wurde, wer gegen Bestimmungen verstieß – beispielsweise „schwarz“ schlachtete oder die Alliierten mit dem Hitlergruß willkommen hieß.

Anfang 1950 erschien „Der Gemeinnützige“ wieder unter seinem gewohnten Titel, nunmehr in Kooperation mit der Nordwest-Zeitung, deren Verleger Fritz Bock schon im April 1946 die entsprechende Konzession zur Herausgabe einer Zeitung erhalten hatte. So erhielten die Leser damals eigentlich zwei Zeitungen: die regionale Nordwest-Zeitung und den lokalen „Gemeinnützigen“. Der wurde wieder im Hause Allmers gedruckt – und nachts von fleißigen Vareler Frauen von Hand in die aus Oldenburg gelieferten Zeitungen eingelegt. Die Technik war damals bereits weit fortgeschritten: Die Rotation erlaubte sogar den vierfarbigen Druck, der in der Gesamtausgabe durchgängig erst 2003 mit der neuen Maschine im WE-Druckhaus in Etzhorn möglich wurde.

Heute erscheint „Der Gemeinnützige“, die lokale Ausgabe der NWZ für das südliche Friesland, mit täglich bis zu fünf Seiten und dazu Sonderausgaben. Berichte, Reportagen, Kommentare und Leseraktionen von der Wahl des „Menschen des Jahres“ über „Sportler des Jahres“, Gewinnspiele und vieles mehr finden sich nicht nur in der gedruckten, der „Print-Ausgabe“, sondern können rund um die Uhr und stets aktuell auch online abgerufen werden. Eines aber ist geblieben: Das Motto, das vor 50 Jahren, im Jubiläumsjahr 1968, der damalige Chefredakteur Fritz Lucke bestätigte: „Eine Zeitung muss immer jung sein, um alt werden zu können.“

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