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Henry Kissinger wird 100 Rastloser Vermittler und polarisierendes Schwergewicht


Politische Legende: Henry Kissinger, ehemaliger Außenminister der USA
dpa
Porträt

Politische Legende: Henry Kissinger, ehemaliger Außenminister der USA

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Washington - Henry Kissinger, in Deutschland geboren und dann zu einem der profiliertesten US-Außenpolitiker, Denker und Krisenvermittler avanciert, will am Samstag in Washington seinen 100. Geburtstag feiern. Kissinger lässt sich mühelos in die Kategorie „Elder Statesman“ einordnen; er hat jahrzehntelang die internationale Politik wie kaum eine andere Persönlichkeit geprägt.

Auch der Begriff „Urgestein“ drängt sich beim Blick zurück auf, allein schon wegen seiner äußeren Merkmale: Die markante rauchige Stimme, der unüberhörbare deutsche Akzent, die dicken Brillengläser, das souverän-überlegte Formulieren seiner Thesen. Henry Kissinger hat nicht nur aufgrund der Kraft seines ehemaligen Amtes einen hohen Erkennungswert und eine Gravitas, wie sie heute auf der politischen Bühne kaum noch zu finden ist. Kissinger hatte in seiner aktiven Zeit maximalen Einfluss – aber der Republikaner war auch für viele eine stark polarisierende Figur, an deren historischer Bewertung sich bis heute die Geister scheiden.

In Fürth geboren

Geboren 1923 im fränkischen Fürth mit dem Vornamen Heinz Alfred, floh der begeisterte Jugendfußballspieler Kissinger 1938 mit seinen jüdischen Eltern über London nach New York. 1943 trat er in die US-Armee ein und arbeitete als Übersetzer und Geheimdienst-Analytiker in Europa. Vier Jahre später kehrte er in die USA zurück und schrieb sich an der renommierten Harvard-Universität ein, wo er den Grundstein für seine spätere Karriere in der Politik legte und es zum Professor für Internationale Beziehungen und Verwaltung brachte.

Als Sicherheitsberater verpflichtet

Der Einstieg in die praktizierte Politik geschah 1969 unter US-Präsident Richard Nixon, der Kissinger als Nationalen Sicherheitsberater verpflichtete – eine Kombination, die das Magazin „Time“ später als „eigentlich unvorstellbare Partnerschaft“ beschrieb. Doch die beiden veränderten den Stil der US-Außenpolitik maßgeblich – wobei Kissinger einen realpolitischen Ansatz gegenüber der Sowjetunion durchsetzte, der eine antikommunistische Ideologie hintanstellte, den Ostblock-Staatenbund als zweite Supermacht akzeptierte und deshalb nach Bereichen suchte, in denen mit Moskau zusammengearbeitet werden konnte.

Friedensnobelpreis verliehen

Sowohl Nixon wie auch Kissinger nutzten damals eine stille, von der Öffentlichkeit nicht wahrnehmbare Diplomatie, um sich erst der Sowjetunion und dann China anzunähern. Kissinger weitete diese Geheimgespräche auch auf Nordvietnam aus, um die Chancen für eine Beilegung des Krieges auszuloten. Zur gleichen Zeit plädierte er jedoch gegenüber Nixon dafür, die US-Bombenabwürfe zu verstärken und den Krieg auf Kambodscha und Laos auszudehnen. Eine Strategie, die ihm Kritiker des Vietnam-Engagements bis zuletzt übel genommen haben. Ganz ins internationale Rampenlicht rückte der versierte Diplomat dann 1971, als seine gut gehüteten Kontakte zur chinesischen Führung publik wurden. Zwei Jahre später wurde ihm gemeinsam mit Le Duc Tho, seinem nordvietnamesischen Verhandlungspartner bei den Pariser Gesprächen auf der Suche nach einer Beilegung des Konflikts, der Friedensnobelpreis verliehen. Im gleichen Jahr rückte Kissinger vom Nationalen Sicherheitsberater zum Außenminister auf.

Vermögender Berater

Eine Ruhepause bedeutete dies für ihn auf dem Krisen-Schlachtfeld jedoch nicht: Er spielte 1973 eine maßgebliche Rolle bei der Friedenssuche im Yom-Kippur-Krieg zwischen Israel, Syrien und Ägypten und engagierte sich danach jahrelang bei der Suche nach dauerhafter Entspannung. Als Nixon schwer beschädigt durch den „Watergate“-Skandal 1974 zurücktrat, behielt Kissinger auch unter Gerald Ford seine Außenminister-Position und seinen massiven Einfluss. 1977 – mit dem Amtsantritt des Demokraten Jimmy Carter als US-Präsident – verließ er die Regierungsverantwortung, lehrte an der Georgetown Universität und beriet mit seinem Consulting-Unternehmen „Kissinger Associates“ vor allem Firmen bei Auslandsgeschäften. Das Vermögen des Republikaners wird heute auf rund 50 Millionen US-Dollar geschätzt.

Bis heute ist Kissinger nicht nur Ehrenmitglied auf Lebenszeit der Spielvereinigung Greuther Fürth, deren Spielergebnisse er sich einst regelmäßig vorlegen ließ. Seine Meinung ist weiter in der Medienlandschaft als Kommentator gefragt. Und auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz war er gelegentlich zu sehen.

Kontroverse Aussagen

Auch die regelmäßig entflammenden Debatten über kontroverse Aussagen Kissingers haben seinen Einfluss kaum minimiert. Als im Jahr 2010 die bis dato geheimen Tonband-Aufzeichnungen Nixons freigegeben wurden, war auf einem der Bänder Kissinger mit dem Satz zu hören: „Wenn sie in der Sowjetunion Juden in Gaskammern stecken, ist dies kein amerikanisches Problem.“ Dies entfachte vor allem in Israel eine heftige Debatte über den moralischen Kompass des Juden Kissinger und sein politisches Selbstverständnis. Einem Freund vertraute er schließlich an: „Menschen, die seit zweitausend Jahren verfolgt werden, müssen etwas falsch machen.“ Es war die vermutlich auch von schwer vermittelbarer Ironie geprägte Aussage eines Mannes, der sich selbst bis heute für unangreifbar hält – und dessen Selbstverständnis sich vor allem mit einem Zitat erklären lässt: „Macht,“ sagte Kissinger einst, „ist für mich das absolute Aphrodisiakum.“

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