Oldenburg Die Gedankenspiele von Annegret Kramp-Karrenbauer zur „Meinungsmache“ im Wahlkampf sind schon im Ansatz grundfalsch und lassen befürchten, dass die CDU-Chefin ebenso wenig Ahnung von der Funktionsweise Sozialer Medien wie von der Arbeit in Zeitungsredaktionen hat.
Merkwürdiges Verständnis von Medien
Youtuber tragen selbstbewusst den Namen „Influencer“, also „Beeinflusser“ (das Wort gibt es im Duden übrigens so noch gar nicht). Sie setzen mit ihrer Persönlichkeit in ihrer Fangemeinde Themen, werben zum Teil auch für Produkte, verdienen Geld mit ihrer Reichweite und mischen mit ihrem Einfluss – wie der Youtuber Rezo jetzt mit seinem CDU-kritischen Video gezeigt hat – inzwischen auch im Wahlkampf mit. Sie nutzen dabei ihr Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Das kann ihnen zum Glück auch die von ihnen nun so hart gescholtene CDU nicht verwehren.
Mit Blick auf die Zeitungen suggeriert Kramp-Karrenbauer, dass diese sich von einer von der Politik aufgestellten Kommunikationsregel davon abhalten ließen, kurz vor der Wahl in einer Gemeinschaftsaktion Wahlempfehlungen auszusprechen. Das ist Unsinn. Redaktionen unabhängiger Zeitungen setzen auf Meinungsbildung, nicht auf Meinungsmache. Wenn Sie einen Kommentar eines Autors abdrucken, ist das die klar gekennzeichnete Meinung des Autors. Überparteiliche Zeitungen bündeln verschiedene Perspektiven und wollen so zur Meinungsvielfalt beitragen – auch im Wahlkampf. Nie kämen sie auf die Idee, in einer konzertierten Aktion Meinung einseitig zu beeinflussen. Das wäre das Ende ihrer Überparteilichkeit und damit auch ihrer Glaubwürdigkeit.
Entwicklung verschlafen
In der Medienwelt, in der wir leben, gibt es neben den klassischen Massenmedien Zeitung, Hörfunk und Fernsehen längst digitale Massenmedien wie Facebook, Twitter und Youtube. Die CDU hat diese Entwicklung offenbar verschlafen.
Groll der Netzgemeinde
Der Groll der jungen Netzgemeinde entzündete sich schon an der verunglückten Debatte über das Urheberrecht im Internet. Die konservative EVP im Europaparlament, der auch die CDU angehört, schaffte es nicht, die an sich richtige Entscheidung für die Reform zum Schutz von Urheberrechten im Netz sachlich und plausibel zu kommunizieren und steht nun bei den Kritikern – geschürt von großen Netzkonzernen wie Youtube – als „Zerstörerin“ des freien Internets am Pranger.
Die Debatten um Klimaschutz und Netzfreiheit erweisen sich immer mehr als Generationenkonflikt. Die CDU hängt dabei in einer konservativen Elternrolle fest. „Belehren, belächeln, ignorieren“ heißt ihre Strategie.
Die Quittung findet sich bereits in den Statistiken zum Abstimmungsverhalten junger Menschen bei der EU-Wahl.