Oldenburg Die Propaganda ist in der Postmoderne angekommen. Die Zeit der Riesenplakate und Spruchbänder ist in Europa ebenso vorbei wie die Zeit der Personenkulte. Heute geht man raffinierter vor, und ausgerechnet die ARD lieferte dafür in dieser Woche ein Beispiel. Die Affäre um das Propaganda-Handbuch der öffentlich-rechtlichen Anstalten zeichnet sich dabei nicht nur durch die Chuzpe aus, mit der da die öffentliche Meinung manipuliert werden soll, sondern auch durch Intransparenz und Ignoranz gegenüber denjenigen, die das System finanzieren müssen.
Bei der ARD geht das so: Das Führungspersonal solle bestimmte „Slogans zu den vier Themenbereichen Unser Rundfunk ARD (Legitimation), Freiheit (Unabhängigkeit), Beteiligung (Beitragsakzeptanz) und Zuverlässigkeit (Reform & Zukunft)“ benutzen, zitiert die „Welt“ aus dem Manual. Auf kritische Argumente der Gegner hingegen solle nicht eingegangen werden. Brisante Kritik am Einfluss der Politik auf die Anstalten oder dem Gebührenzwang werden damit aus der Diskussion ausgeschlossen und unter einem Berg süßer Phrasen begraben. Der Rat: „Nutzen Sie nie, aber auch wirklich nie, den Frame Ihrer Gegner.“
Stattdessen will man dem Bürger zum Beispiel verkaufen, er beteilige sich nicht gezwungenermaßen an der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern „selbstbestimmt“ und „proaktiv“ am „gemeinsamen Rundfunk ARD“. So zitiert die Neue Zürcher Zeitung. Überhaupt – „öffentlich-rechtlicher Rundfunk“ sei auch ein schlechter „Frame“ – lieber wolle man von „Gemeinwohlmedien“ reden, sagte ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab in einem Interview mit dem Fachdienst „Meedia“. Private Medien wird hingegen „Profitzensur“ unterstellt, und sie werden als „medienkapitalistischen Heuschrecken” diffamiert.
Nun beweisen die angeblichen „Gemeinwohlmedien“ im Fall dieses Propaganda-Manuals allerdings maximale Intransparenz, wo sie doch angeblich die Medien der Bürger sein wollen. Zunächst weigert sich die ARD unter fadenscheinigen Vorwänden („Copyright“), das Papier zu veröffentlichen. Zu den Kosten gibt es keine Zahlen. Der gewünschte „Frame“ eines Rundfunks, der in dem Slogan „Wir sind Deins“ gipfelt, ist damit gesprengt und als hohle Phrase enttarnt.
Zudem durchzieht das Ganze eine zutiefst antiaufklärerische Idee, die in folgender Empfehlung gipfelt, wie sie die „Welt“ zitiert: „Denken und sprechen Sie nicht primär in Form von Faktenlisten und einzelnen Details. Denken und sprechen Sie zunächst immer über die moralischen Prämissen.“ Die ARD soll also nicht über Fakten reden, sondern an Gefühle und Moral appellieren. Wer widerspricht, wer den vorgegebenen Rahmen verlässt, der wird letztlich als außerhalb der Debatte stehend gebrandmarkt.