Oldenburg Klimaschutzproteste während der Schulzeit – ist das gerechtfertigt? Zwei Meinungen:
Pro:

Annalena Baerbock (38) ist Vorsitzende von Bündnis 90/Grüne neben Robert Habeck. Sie sitzt seit 2013 im Deutschen Bundestag.
Ihr interessiert euch nicht – jahrelang war dies der Vorwurf an unsere Kinder und Jugendlichen. Sie würden sich nicht für die drängenden Fragen wie die Klimakrise interessieren und stattdessen lieber auf dem Handy rumtippen. Doch die Fridays-for-Future-Bewegung zeigt uns seit einigen Wochen jeden Freitag auf eindrucksvolle Weise, wie leidenschaftlich Schülerinnen und Schüler weltweit für mehr Klimaschutz demonstrieren.
Mit Elan, Energie und Sehnsucht nach einer besseren Welt fordern sie uns auf, endlich erwachsen zu handeln. Sie machen uns klar, dass wir die Erde von unseren Kindern nur geborgt haben. Dass sie auf die Straße gehen, zeigt, dass die Zeit knapp und das ökologische Korsett eng wird.
Würde die Bundesregierung ihre Hausaufgaben machen, das Pariser Klimaabkommen umsetzen und ein Klimaschutzgesetz mit einem raschen Kohleausstieg, emissionsfreier Mobilität und erneuerbarer Wärme im Gebäudebereich vorlegen, bräuchten die Jugendlichen nicht während der Schulzeit auf die Straße gehen.
Daher habe ich großes Vertrauen in die Schulleitungen, gemeinsam mit den Eltern und Schülern Wege zu finden, die Teilnahme an Demos zu ermöglichen. Denn klar ist, die politische Willensbildung und -artikulation ist ein zentrales Anliegen des Bildungsauftrags.
Klar ist aber auch, dass weder eine Partei alleine noch eine Schüler-Bewegung die Klimakrise lösen kann. Es braucht die gesamte Gesellschaft, von Kirchen über Unternehmen bis hin zur jungen Generation.
Contra:

Katja Suding (43) stammt aus Vechta und sitzt seit 2017 für die FDP im Bundestag. Seit 2015 ist sie Vize-Vorsitzende ihrer Partei.
Ich finde es gut und richtig, dass junge Menschen engagiert für ihre Überzeugungen eintreten und politisch mitmischen. Das gilt ganz besonders, wenn es sich um ein wichtiges Anliegen wie den Klimaschutz handelt. Deswegen haben die Schülerinnen und Schüler der Fridays-for-Future-Demonstrationen zuallererst meinen Respekt.
Es spielt aber auch eine wichtige Rolle, in welcher Form man sich politisch engagiert. In Deutschland gilt die Schulpflicht; und zwar für alle und unabhängig von der politischen Einstellung. Zu billigen oder sogar zu fordern, dass die Schulpflicht ausgesetzt wird, weil es sich in diesem Fall um ein vermeintlich „gutes“ Anliegen handelt, ist falsch.
Davon geht das fatale Signal aus: Ob Recht gilt oder nicht, hängt vom politischen Standpunkt ab. Man stelle sich nur einmal vor, die Schülerinnen und Schüler würden während der Schulzeit gegen Zuwanderung oder für Atomkraft auf die Straße gehen. Hätten sie dann immer noch die Unterstützung von Politikern der Grünen und Linken? Wohl kaum!
Es steht außer Frage: Auch die Freien Demokraten wollen das Klima schützen, damit unsere Umwelt für kommende Generationen lebenswert bleibt. Aber der Zweck heiligt nicht jedes Mittel. Die Schulpflicht gilt zum Wohle der Kinder. Denn schließlich ist auch Bildung Zukunft.
Und ganz nebenbei: Protest wirkt nicht nur zur Unterrichtszeit. Wenn junge Menschen einen Teil ihrer Freizeit dafür opfern würden, würde das ihren Anliegen sogar noch mehr Glaubwürdigkeit verleihen.